Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunter Jahrgang. 1868. (9)

Die süddeutschen Staaten. 189 
und weder die Besorgnisse der einen, noch die Hoffnungen der andern haben 
sich verwirklicht. — Was nun das spätere Verhalten der königl. Regierung 
Preußen gegenüber betrifft, so erkläre ich: es ist niemals von dieser Seite 
auch nur die geringste Andeutung gemacht worden, daß man uns in unserer 
Selbständigkeit stören wolle. Ich frage Sie, was kann man in solchen Ver- 
hältnissen klügeres thun, als sich ruhig verhalten? Es kam kein Anlaß vor, 
der die guten Beziehungen irgend zu beeinträchtigen geeignet war, doch gewiß 
das Erfreulichste für Alle, welchen an der Selbständigkeit Württembergs ge- 
legen. Bei mehreren sehr wichtigen Vertrags-Abschlüssen, sowie bei Besetzung 
der Zollstellen hat sich Preußen sehr entgegenkommend gegen uns gezeigt. 
Auch das Verhältniß zu unseren Nachbarstaaten ist durchaus ein freundliches. 
Speciell mit Bayern stehen wir im besten Einvernehmen. Wir bestreben 
uns, alles, was sich als gemeinsame Thätigkeit darstellen kann, wo möglich 
gemeinsam zu besorgen. Freilich zeigt sich, wo die Interessen der Staaten 
collidiren, eine ausgesprochene bayerische, württembergische, badische Tendenz, 
wie das in der Natur der Sache liegt. Nichtsdestoweniger hat z. B. Bayern 
bei Anlaß der letzten Eisenbahnverhandlungen uns Zugeständnisse gemacht, welche 
nur in der gemeinsamen Pflege des guten Einvernehmens ihre Begründung 
haben. Im Militärwesen sind wir bestrebt, eine gemeinsame Organisation 
durchzuführen, damit die süddeutschen Heere im Falle eines Krieges zu- 
sammenwirken können; aber nicht gegen unsere Brüderstaaten im Norden, 
sondern mit ihnen und für sie. Wenn wir deßhalb uns bemühen, den preu- 
ßischen Heereseinrichtungen uns zu nähern, so liegt das in der Bestimmung 
des deutschen Heeres, sich gemeinsam zu schlagen, und in der bewährten Tüch- 
tigkeit der preußischen Organisation. Wir verfolgen alle consequent den Weg, 
uns so weit zu einigen, als die Selbständigkeit der Staaten und die Eigen- 
thümlichkeit der Interessen irgend zuläßt. Auch im Eisenbahntarif wird die 
Einigung erstrebt; aber hier sind einmal entgegengesetzte Interessen. Sie 
würden mir gewiß nicht gestatten, daß ich die württembergischen vernachlässige. 
Dagegen ist weiter das zu Stande gebracht, daß Bayern und Württemberg 
ihre Consulate regelmäßig in eine Hand legen werden. — Was nun Ihre 
Adresse betrifft, so ist vor allem das festzuhalten, daß sie eine Antwort auf 
die königliche Thronrede ist. Hier ist klar ausgesprochen, daß der König die 
Selbständigkeit Württembergs zu wahren entschlossen ist und daß 
er sich hierin auf das Einverständniß mit seinem Volk verlassen zu können 
glaubt, und er kann sich darauf verlassen, das spreche ich hier mit voller 
Ueberzeugung aus. Niemand, auch diejenigen nicht, welche davon gesprochen 
haben, „so wie es sei, könne es nicht bleiben“", wird der Ansicht sein, daß 
Württemberg außhören soll zu bestehen. Die Thronrede sagt weiter, daß die 
nationalen Interessen im Einklang mit dem Volk gepflegt werden sollen, und 
dieß ist sehr wohl möglich, ohne die Selbständigkeit unseres Staates zu be- 
einträchtigen. Die Staatsregierung will die Verträge mit Preußen treu 
und loyal hälten, sie sollen nicht erfüllt werden wie von einem säumigen 
Schuldner, sondern patriotischen Sinnes; im Geiste der nationalen Pflicht, 
die dadurch erfüllt wird. Dieser Geist ist es, der uns leitet, wenn wir das 
Heer in einen Zustand zu bringen suchen, der es ebenbürtig macht, an die 
Seite der andern deutschen Heere treten zu können, damit, wenn heute ein 
Krieg ausbricht, die württembergischen Fahnen sich nicht zu schämen haben. 
Auch hierin vertraut der König seinem Volke. Er kann es, ich werde darin 
keinen Widerspruch finden. — Ich gehe nun über zu dem Entwurf der Ant- 
wort auf diese königl. Ansprache. Die Vereinigung der süddeutschen Staaten, 
die man von der Regierung verlangt, ist nichts anderes als der Südbund. 
Hätte ich darüber einen Zweifel gehabt, die hier gehaltenen Reden hätten mich 
davon überzeugt. Also nicht bloß eine Verständigung mit den Nachbarstaaten, 
die ja auch wir anstreben, sondern ein staatliches Gebilde. Ich frage nun, ist 
ein solches möglich? Wenn man sich dasselbe denkt, wie der Hr. Abgeordnete