Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunter Jahrgang. 1868. (9)

314 
Oeslerreich-Ungarn. 
das bleibende Denkmal ungarischer Treue, Vaterlandsliebe und Mäßigung, 
auf welchem die Geschichte jetzt schon eine lange Reihe großer und heilsamer 
Erfolge verzeichnet hat. In Folge meiner feierlichen Krönung mit der von 
meinen Ahnen ererbten. Krone des hl. Stephan ist die ungarische Verfassung 
in ihre Vollgeltung getreten, wir aber haben das historische Gewicht und die 
historlsche Bedeutung des ungarischen Königstitels wieder hergestellt, und wir 
hegen das sichere Bewußtsein, daß hiedurch unser Reich nicht eine Schwächung 
erfahren, sondern nur seine alte Grundlage und Kraft wieder gewonnen hat. 
Darnach ist auch der Titel der Monarchie dem Auslande gegenüber festgestellt. 
Mit Croatien und Slavonien kam auf Grundtage eines billigen Aus- 
gleichs der beiderseitigen Interessen eine staatsrechtliche Vereinbarung zu Stande, 
welche das zwischen beiden Brudervölkern in Glück und Unglück Jahrhunderte 
hindurch bestandene Band erneuert hat. Die Vereinigung Ungarns und Sie- 
benbürgens ist in die Reihe der vollendeten Thatsachen getreten. Dem- 
gemäß ist die Integrität des Reiches Stephans des Heiligen in 
einem Maße zur Geltung gelangt, wie sich dessen das Land seit mehr denn 
drei Jahrhunderten nicht zu erfreuen hatte. Eine der Bürgschaften der In- 
tegrität der ungarischen Krone und unserer Monarchie ist das neue Wehr- 
gesetz. Bei der Organisirung der Wehrkraft haben Sie mit Vertrauen und 
tiefer Einsicht die Nothwendigkeit des gemeinschaftlichen Heeres anerkannt und 
hiedurch eine die Entwicklung der Monarchie schützende Wehrmacht geschaffen. 
Zur Unterstützung derselben ist die Landwehr berufen — sie eröffnet in Au- 
genblicken der Gehihr ein neues Feld jener alten Tapferkeit, von welcher die 
Blätter der ungarischen Geschichte so vielfach glänzendes Zeugniß geben. 
Indem wir derart die Stellung unseres geliebten Ungarns und unserer Mo- 
narchie befestigt haben, finden wir hierin zugleich die Garantie des Friedens 
nach Außen, dessen ungetrübte Aufrechterhaltung wir zu den vorzüglichsten 
unserer Regentensorgen zählen. Sie haben die geistige Entwicklung der Na- 
tion gefördert, als Sie ein Gesetz über die Volkserziehung geschaffen, welches, 
wenn es auch von einzelnen Sonderinteressen Opser heischt, dennoch den 
Grund zu einem System der Volksbildung legt, das berufen sein wird, dem 
geistigen und materiellen Fortschritt des Landes eine feste Stütze zu bieten. 
Wir hoffen, daß unsere Getreuen nichtungarischer Zunge ihre volle Beruhig- 
ung in dem Bewußtsein finden werden, daß die Verfassung jedem Staats- 
bürger die Freiheit und die Entwicklung seiner Muttersprache in gleicher 
Weise sichert. Sie folgten demselben Grundsatze der Gleichberechtigung, als 
Sie die Ausübung verfassungsmäßiger Rechte auch auf die israelitischen Bürger 
des Landes ausdehnten, welche bis dahin bloß die Lasten, nicht aber auch 
die Wohlthaten der Verfassung gekaunt haben. Sie haben bei der Rege- 
lung der Verhältnisse zwischen den christlichen Confessionen das Princip bür- 
gerlicher und religiöser Gleichberechtigung zur Grundlage genommen. Der 
Fortschritt Ungarns auf dem materiellen Gebiete stand bisher in keinem Ver- 
hältnisse zu seinen reichen Naturschätzen; die Gesetzgebung jedoch hat die 
ganze Wichtigkeit des materiellen Fortschritts erfaßt. Die bereits sichtbaren 
Zeichen des geistigen und materiellen Aufschwunges der Nation 
können Ihr Herz mit Freude erfüllen, und wenn erst der Erfolg in jenem 
Vollmaße eintritt, mit welchem die göttliche Vorsehung Energie und Aus- 
dauer zu belohnen pflegt, wird die Nachwelt sich dankbar Jener erinnern, 
die das Aufblühen des Landes herbeigeführt haben. Und nun empfangen 
Sie unseren aufrichtigen königlichen Dank und überbringen Sie densel- 
ben der gesammten Nation. Möge der Allmächtige jene aufrichtige Ein- 
tracht bleibend erhalten, welche nicht nur auf dem Felde der Politik zu 
großartigen Erfolgen geführt, sondern auch Herrscher und Volk mit dem 
Bande der Liebe und des Vertrauens umschlungen und es uns neuerdings 
süslteaken hat, daß nur der Herrscher eines glücklichen Volkes sich glücklich 
ühlen kann.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.