Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunter Jahrgang. 1868. (9)

Otsterreich Ungaru. 315 
42. Dec. Dem Handelsvertrage mit England stellen sich neue Schwierig- 
14. 
I 
15. 
17. 
keiten entgegen, so daß derselbe jedenfalls nicht mit dem 1. Januar 
1869, wie die Nachtragsconvention wollte, ins Leben treten kann. 
Der ungarische Landtag ist auseinander gegangen, ohne einen dieß- 
fälligen Beschluß gefaßt zu haben und im Ausschuß des Abg.-Hauses 
des Reichsrathes werden auch gegen die Nachtragsconvention große 
Bedenken erhoben. 
„ (Oesterreich). Reichsrath, Abg. Haus: Der Finanzminister 
legt das Finanzgesetz für 1869 unter Darlegung der Finanzlage 
vor, beantragt die Einführung einer Gebäudesteuer und fordert die 
Forterhebung der Steuern bis Ende März 1809. 
Die Darlegung der Finanzlage Seitens des Finanzministers lautet sehr 
befriedigend: soweit sich die Ergebnisse des Jahres 1868 übersehen ließen, 
hätten sich die Einnahmen gehoben, seien die Ausgaben zurückgeblieben, so 
daß die Mehreinnahme für die 3 ersten Quartale gegen den Voranschlag 9, 
die Minderausgabe 10 Mill. betrage. Bleibe das Verhältniß dasselbe auch 
für das 4. Quartal, so ergäbe sich ein Ueberschuß von 10 Mill. und würde 
das Deficit für 1805 nur mehr 34 Mill. betragen. 
„ (Ungarn). Der Cultusminister eröffnet einen von der Regie- 
rung einberufenen israelitischen Congreß und bezeichnet die Aufgaben 
desselben folgendermaßen: 
1) Feststellung der äußeren Organisation. der einzelnen Gemeinden; 2) Or- 
ganisation der israelitischen Schulen und Schulbehörden; 3) Verwaltung des 
ungarischen israelitischen Landessonds; 4) Organisation der künftigen Con- 
gresse, Feststellung ihres Wirkungskreises und der desinitiven Hausordnung, 
sowie des Wahlmodus. 
Die altjüdische Partei ist bei den Wahlen in der Minderheit geblieben. 
„ In Folge des Wehrgesetzes wird die Aufhebung der körperlichen 
Züchtigung in der Armee verkündet und werden den Militärsträf- 
lingen die Ketten sofort abgenommen. 
„ (Ungarn). Eine Deputation von 200 Pesther Stadtrepräsen- 
tanten begibt sich zu Deak, um ihm den Dank der Nation für den 
nun besiegelten Ausgleich, der nicht zum mindesten sein Werk, aus- 
zudrücken. Antwort Deaks: 
„Wir dürsen nicht betrübt sein, weil nicht Jedermann befriedigt ist; 
Wünsche sind eben Triebfedern für Thaten, ohne welche die einzelnen Natio- 
nen in Faulheit und Nachlässigkeit versinken. Wir bedürsen der Mäßigung 
und müssen zwischen Wünschen und Wollen unterscheiden. Der 
letzte Reichstag hat das Verdienst, das Letztere gethan zu haben, indem er 
seine Kräfte bloß zur Durchführung des Möglichen verwendete. Es ist eines 
der Hauptverdiensie der Nation und des Reichstages, bloß so weit gegangen 
zu sein, bis wohin sie die dauerhafte Basis würde ausdehnen können. Die 
Nation besaß neben ihrer Energie, vom Rechte nicht abzuweichen, Takt genug, 
um gegenüber dem Herrscher der durch unglückliche Ereignisse erschütterten 
Monarchie ihre Forderungen nicht hinaufzuschrauben. Sie wußte, daß in er- 
preßten höheren Concessionen der Keim zur abermaligen Auflösung liegen 
würde. Die Nation möge die einfache Regel der Handelswelt erlernen: nicht 
nur das in Rechnung zu ziehen, was wir gewinnen, sondern auch, was wir 
verlieren können. Uns isi Oesterreichs Bestand ebenso nothwendig, 
wie Oesterreich der unserige. Die Rechtsbasis und die Rechtsverhält-
	        
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