392
Frankreich.
mit 170 gegen 74 Stimmen abgelehnt und das Gesetz als Ganzes
mit 240 gegen 1 Stimme (Berryer) angenommen.
Vergleicht man das neue Gesetz mit den Bestimmungen, die seither das
Preßwesen regelten, so ergibt sich, daß die vorgenommenen Veränderungen
zum Bessern wie zum Schlimmern sich so ziemlich ausgleichen. Jene bestehen
in der Aufhebung der ministeriellen Erlaubniß zur Begründung von Zeitun-
gen und des Systems der Verwarnungen, diese in der Verschärfung der ge-
richtlichen Strafen bis zu einem wahrhaft absurden Maße, in der Erhöhung
der Caution, in der Ausschließung der politisch verbannten Personen, in der
neumodischen Ummauerung des Privatlebens u. s. w. Und speciell paralysirt
wird noch die Freigebung der Zeitungspresse durch die Beibehaltung der Con-
cessionen für die Buchdrucker und Buchhändler.
Die Regierung legt die Ergänzungscreditforderungen für 1867,
das berichtigende Budget für 1868, das ordentliche und außerordent-
liche Budget für 1869 und das Gesetz für ein Anlehen im Betrage
von 440 Mill. Fr. vor.
9—41. März. Unruhen in Toulouse gegen das neue Militärgesetz.
12. März. General Failly, der Sieger von Mentana, wird zum Senator
1
ernannt.
„ Gesetzgeb. Körper: Beginn der Debatte über das Versammlungs-
gesetz.
Die Vorlage zerfällt in drei Titel. Der erste handelt von den öffent-
lichen nicht politischen Versammlungen, und bestimmt, daß alle öffentlichen
Versammlungen, welche keine politischen oder religiösen Angelegenheiten zum
Gegenstand haben, ohne vorherige Erlaubniß gehalten werden dürfen; die,
welche politische oder religiöse Angelegenheiten betreffen, bedürfen der vorläu-
sigen Erlaubniß. Jede Versammlung muß zuvor angemeldet werden, in Paris
bei dem Polizeipräfecten, in den Departements bei dem Präsecten oder Unter-
präfecten. Die Anmeldung muß von sieben Personen unterzeichnet sein, die
in der Gemeinde domicilirt sind, wo die Versammlung stattfinden soll; sie
muß Ort und Zeit und den speciellen und bestimmten Zweck der Versamm-
lung angeben. Von dieser Anmeldung wird ein Empfangsschein gegeben,
der auf Verlangen der Aussichtsbeamten vorgezeigt werden muß. Alle Ver-
sammlungen müssen in einem geschlossenen Raum gehalten werden. Jede
Versammlung muß einen Präsidenten und wenigstens zwei Beisitzer haben,
welche die Ordnung aufrecht zu erhalten verpflichtet sind; diese dürfen keine
dem angegebenen Gegenstand der Versammlung frremde Frage zur Verhand-
lung kommen lassen. Ein Gerichts= oder Verwaltungsbeamter kann von der
Behörde bestimmt werden, welcher der Versammlung beizuwohnen hat, und
dieser Beamte kann die Versammlung sofort auflösen, wenn die Vorsitzenden
dem Gegenstand fremde Fragen verhandeln lassen, oder wenn die Versamm-
lung tumultuarisch wird. Der Aufsichtsbeamte nimmt dann ein Protokoll
auf und übergibt es der zuständigen Behörde; übrigens sind durch diese Be-
stimmungen die Rechte, welche die bestehenden Gesetze den Maires verleihen,
nicht ausgehoben. Der zweite Titel handelt von den Wahlversammlungen.
Diese können vom Augenblick der Ausschreibung der Wahl bis fünf Tage
vor Eröffnung des Scrutiniums gehalten werden; es dürfen denselben nur
die Wähler des Wahlbezirks beiwohnen und die Candidaten, welche die Vor-
schriften des Senatsbeschlusses vom 17. Febr. 1858 erfüllt haben. Um zu-
gelassen zu werden, muß man Namen, Stand und Wohnung angeben. Die
Versammlung darf nur einen Tag nach der Anmeldung gehalten werden.
Der dritte Titel enthält allgemeine Bestimmungen, und fängt gleich mit
Strafdrohungen an. Bestraft werden, wenn sie den Bestimmungen des