Preußen und der norddeutsche Bund. 43
Einnahmen vorweg aber vom 1. Januar ab jährlich 550,000 Thlr. Hannover
zu überweisen; Francke beantragt die Vorlage eines Selbstverwaltungs-
gesetzes und die Gewährung einer regelmäßigen Jahres-Einnahme für alle
Provinzen.
Debatte: 4. Febr.: Bincke (Minden) gegen: Er könne hier nur den
Standpunkt eines Vertreters des preußischen Staats einnehmen und müsse
sich deßhalb gegen die Vorlage aussprechen. Von einer rechtlichen Verpflich-
tung könne keine Rede sein. In den alten Provinzen haben wir die Selbst-
verwaltung, aber müssen die Kosten dafür aus eigener Tasche aufbringen;
der Staat schießt z. B. für Irrenanstalten für die acht alten Provinzen ein
Viertel von dem zu, was Hannover zu diesem Zwecke allein verlangt. So
lang Hannover selbständig war, kam es im Ganzen auf dasselbe heraus, ob
das Geld durch den Staat oder die Provinzen aufgebracht wurde; jetzt aber
hat keine Provinz einen größeren Anspruch an den Staat als die andere.
Bismarck: Die Regierung hat der Provinz eine Zusage gemacht, auf deren
Auslösung durch den preuß. Landtag sie glaubte rechnen zu dürfen, und es
würde ihr schmerzlich sein, wenn sie sich hierin getäuscht hätte. Die k. Re-
gierung ist bei dieser Vorlage durch zwei Rücksichten geleitet worden. Die
eine Rücksicht war die, dem Lande Hannover den Uebergang zu erleichtern
und Billigkeitsrücksichten dabei walten zu lassen; die andere Rücksicht war
diejenige — und diese ist für mich persönlich in hohem Maße leitend ge-
wesen —, auf diese Weise eine größere Decentralisation, als sie bisher im
preußischen Budget Platz gefunden, anzubahnen und den Provinzen diejenigen
Angelegenheiten, welche besser vom provinziellen Standpunkte als vom cen-
tralisirten angebaut werden können, zur Selbstverwaltung zu übergeben und
dann an die hannover'schen und hessischen Vorgänge weitere Vorlagen im
nächsten Jahre zu knüpfern. . . . Was demnächst das zweite Motiv der
Regierung betrifft, die Decentralisation, so war es für mich eine Anschauung,
die ich mit Freuden begrüßte, als das Staatsministerium sich nach einigen
Kämpfen und Schwierigkeiten von Seiten der Bureaux, die das Altgewohnte
vertraten, darüber einigte, hier zuerst eine Bresche in das System der Cen-
tralisation zu machen. Es wurde mir dies sehr erleichtert durch den Vorgang
in Kurhessen, und die fanatische Liebe der Kurhessen zu ihrem Staatsschatz
ist vielleicht der erste Anstoß zu dieser Decentralisation gewesen. Ich bin
überrascht, daß keiner der Herren Redner, die unser Verfahren in dieser Frage
angegriffen haben, auf den kurhessischen Staatsschatz auch nur zurückgekommen
ist. In den älteren Provinzen hat sich auch nicht die leiseste Unzufriedenheit
über das schließliche Verfahren der Regierung in dieser Sache kundgegeben;
im Gegentheil, man hat der Regierung gedankt, und es ist in öffentlichen
Blättern anerkannt worden, daß die Regierung keinen Anstand nahm, ein
Versehen, das sie nach der Probe, welche die öffentliche Stimmung darauf
machte, glaubte begangen zu haben, offen zurücknahm, und daß sie den eng-
lischen Grundsatz acceptirte, es ist männlich, seinen Irrthum offen einzu-
gestehen, wenn man ihn einsieht. Damals sind wir nicht getadelt worden,
und nun soll mit Einem Male dasselbe Verfahren vollständig anders sein.
Die Kurhessen hatten nicht um ein Haar breit mehr juristisches Recht auf
den Staatsschatz als die Hannoveraner auf den Provinzialfonds, und nichts
desto weniger wünsche ich der Regierung noch heute Glück, daß sie die juri-
stische Goldwage nicht angelegt, sondern nach dem politischen Ermessen gehan-
delt hat. Ich wiederhole die Zusage, die ich bereits in der Commission
gegeben habe, daß es die Absicht sämmtlicher Staatsminister und die von
Sr. Maj. dem Könige gebilligte Absicht ist, in dem nächsten Budget auf
diesem Wege weiter zu gehen und für sämmtliche Provinzen Vorlagen zu
machen, welche jeder Provinz einen Theil des Budgets zur Selbstverwaltung
überweisen, allerdings in Ausgabe und Einnahme; denn es kann sich nicht
darum handeln, daß die einzelnen Provinzen sich unter einander noch Ge-