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Frankreich.
allem dem irgend ein Kriegsgedanke? Und wenn man nun gar eine der
großen durch die Verfassung angeordnelen öffentlichen Gewalten absondern
und von ihr sagen will, sie halte Sturm und Sonnenschein in Händen, so
sucht man ganz einfach, m. H., deren Verantwortlichkeit über die Wahrheit
und über den allgemeinen Willen hinaus zu übertreiben. (Sehr wahr!) Der
Wille des Staatsoberhauptes, der Wille des gesetzgebenden Körpers, der Wille
des Landes ist die Erhaltung des Friedens in der Welt. (Sehr gutl) Hier-
über besteht weder Meinungsverschiedenheit, noch Aufregung, noch Hinter-
gedanke. Der Friede ist die große Bedingung der Civilisation, und die Ver-
wirklichung dieser Bedingung suchen wir in unausgesetztem Fortschritt. Wir
halten den Krieg für eines der großen Mißgeschicke, für die wir nie die un-
mittelbare und persönliche Verantwortung übernehmen. Wir begreifen den
Krieg nie anders, denn als einen Krieg der Vertheidigung, nicht al-
lein aber unseres Gebietes, sondern auch unserer Würde, un-
serer Ehre und unseres Einflusses.“ '
6. Juli. Gesetzgeb. Körper: Budgetdebatte. Die Nachtragscredite für
8.
10.
1867 und die Supplementarcredite für 1868 werden genehmigt.
„ Gesetzgeb. Körper: Budgetdebatte. Beginn der Specialdebatte
des Budgets für 1869. Jules Favre kommt nochmals auf die Po-
litik gegenüber Deutschland zurück, worauf der Minister des Aus-
wärtigen, Marquis de Moustier, wiederum die Friedenspolitik der
Regierung betheuert.
„ Gesetzgeb. Körper: Budgetdebatte. Ollivier regt gelegentlich des
vom Papste einberufenen Concils die Frage der Trennung zwischen
Kirche und Staat an.
Ollivier: Unter der früheren Monarchie konnte kein Concil ohne Er-
laubniß der Regierung in Frankreich angesagt werden, und kein französischer
Bischof ohne diese Erlaubniß nach Rom reisen. Außerdem ließ der König
durch Conferenzen der Bischöfe die Haltung feststellen, welche die Landeskirche
auf dem Concil einzunehmen hatte, und ernannte Gesandte, welche Frank-
reich darin vertraten. Nach dem Concil wurden dessen Beschlüsse discutirt,
um festzustellen, ob und welche in Frankreich zur Durchführung zu gelangen
hätten. Alle diese alten Rechte bestehen heute noch, allein die gegenseitige
Stellung der Laienwelt und des Clerus ist wesentlich verändert. Der Papst
gilt als unfehlbar, die alten Freiheiten der gallicanischen Kirche sind auf-
gegeben. Der Papst erläßt keine Einladung an den Souverän mehr; er ent-
scheidet selbst, und läßt, ohne jemanden zu befragen oder zu benachrichtigen,
seine Bischöfe zum Besuche des Concils auffordern. Ollivier meint nun:
der Staat möge dem Concil kein Hinderniß in den Weg legen und die Bi-
schöse nach Rom ziehen lassen, allein selber sich jeder Betheiligung enthalten,
und dadurch offen die Trennung zwischen Kirche und Staat bekunden. Der
Staat hat sich alsdann des niedern Clerus anzunehmen, ihm seine Unabsetz-
barkeit auf's neue zu gewährleisten, und ihm eine gewisse Betheiligung an
den Bischofswahlen zuzugestehen. Außerdem sollen die Gesetze, welche die
vollkommene Trennung zwischen Kirche und Staat bestimmen, sowie die über
die geistlichen Orden und das Recht, Grundbesitz zu erwerben, vorbereitet
werden. In Folge dieser Trennung soll, wenn der Clerus darauf eingeht,
das Cultusbudget abgeschafft, bis dahin aber die Besoldung desselben als
eine heilige Schuld angesehen werden. Justizminister Baroche kann in
seiner Stellung als Minister eine directe Beantwortung der von Ollivier
aufgeworfenen Fragen nicht ertheilen, sondern behält sich im Namen der Re-
gierung, dem Concil gegenüber, jede weitere Entschließung vor. „Ich beeile
mich“, sagt er, „um Mißverständnisse zu vermeiden, zu erklären, daß, da es