Ucbersicht der Ertignisse des Zahrts 1868. 535
Aussicht gestellte Verminderung der Militärlast nicht eingetreten, aber Nordr.
die weit überwiegende öffentliche Meinung denkt nicht daran, die neue Bund.
Machtstellung der Monarchie oder den nationalen Beruf Preußens
wieder gefährden zu lassen und trägt daher, wenn auch nicht ohne
Seufzen, jene Last, so lange es unumgänglich nöthig sein wird, um
das Schwert der Feinde und Neider in der Scheide zu halten. In
den Kleinstaaten sind die Landesfinanzen durch die Anforderungen
des Bundes und zwar so ziemlich ausschließlich für die Militär-
ersordernisse überall arg ins Gedränge gekommen und haben fast
überall Steuern und Abgaben erheblich erhöht werden müssen; aber
diese Mehrlast wird wenigstens einigermaßen dadurch aufgewogen,
daß sich ebendamit die unausweichliche Nothwendigkeit herausstellte,
die vcraltete und namentlich allzu complicirte Verwaltungsmaschinerie
zu vereinfachen und zu verbessern. Alle Glieder des Bundes aber
finden eine Entschädigung nicht bloß in der größeren Sicherheit, die
ihnen die Macht des Bundes jetzt schon gewährt und in der Zu-
kunft noch mehr gewähren wird, sondern namentlich auch in dem,
was ihnen der Bund auf wirthschaftlichem und den damit verwandten
Gebieten unläugbar bietet. Nachdem schon im Jahre zuvor die Frei-
zügigkeit innerhalb des Bundesgebiets beschlossen worden war, wurde
dieser überaus wohlthätige Fortschritt in der Session des Reichstages
von 1868 am 8. April durch die Aufhebung aller bisherigen Ehe—
beschränkungen, am 28. Mai durch die Aufhebung der Schuldhaft,
am 13. Juni durch ein Gesetz bez. gemeinsames Maß und Gewicht,
am 18. Juni durch ein Nothgewerbegesetz (das 1869 durch ein voll-
ständiges Gewerbegesetz auf sehr liberaler Grundlage ersetzt ward),
am 20. Juni durch ein Gesetz über das Genossenschaftswesen nach
den Ideen von Schulze-Delitzsch vervollständigt. Schon vorher am
3. Januar hatte sich die vom Bundesrath beschlossene Commission
für Ausarbeitung eines Civilprozeßordnungs-Entwurfs constituirt und
am 5. Juni beschloß der Bundesrath, auch den Entwurf eines ge-
meinsamen Strafgesetzes und Strafprozesses ausarbeiten zu lassen.
Alles das sind nicht Fortschritte hochpolitischer Natur, aber entschieden
wesentliche Fortschritte für die freie Thätigkeit der gesammten Bevöl-=
kerung des Bundes. Die Erfolge der Session auf eigentlich poli-
tischem Gebiete waren allerdings weniger erheblich. Die noch sehr
unfertige Verfassung des Bundes, namentlich was das Verhältniß