Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunter Jahrgang. 1868. (9)

Uebersicht der Ereignisse des Jahres 1668. 
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tanden vorzubereiten und ist seither unablässig bemüht, alles bis auf Rom. 
die Einrichtung der Peterskirche für die imposante Versammlung zu 
ordnen. Jeder Commission wurde ein Cardinal vorgesetzt, im üb- 
rigen auch ausländische gelehrte Theologen in dieselben berufen; doch 
haben in allen die Italiener und die Jesuiten das Uebergewicht. 
Das letztere namentlich schien im äußersten Grade bedenklich und 
die Behauptung zu bestätigen, daß Pius IX. seit längerer Zeit voll- 
ständig in den Händen dieses Ordens sei, sich namentlich in dieser 
Angelegenheit gänzlich von ihnen leiten lasse und daß das Concil 
überhaupt dazu bestimmt sei, diesem Orden und seinen extremen 
Anschauungen und Bestrebungen einen großen Triumph zu bereiten. 
Da zur Zeit in der katholischen Kirche keinerlei dogmatische Streitig- 
keiten walten, welche das Concil, wie früher, zu schlichten berufen 
wäre, so schien es von vornherein außer Zweifel, daß es mit dem 
Concil hauptsächlich auf das Verhältniß zwischen Staat und Kirche 
abgesehen sei, was schon die allgemeine Lage bestätigen mochte. Das 
Organ des Jesuitenordens in Nom, die „Civiltä cattolica“, das vom 
Papste als eine Art officiellen oder doch officiösen Organs der Curie 
ausdrücklich anerkannt worden ist und anerkannt wird, ließ darüber 
auch bald keinen Zweifel mehr. Die moderne Civilisation, d. h. der 
innerste Geist der gesammten modernen Entwickelung der europäischen 
Menschheit in Staat und Wissenschaft soll vom Concil verurtheilt 
und verdammt, der Syllabus des Papstes also in irgend einer pas- 
senden Form zu einem Ausspruch der gesammten Kirche erhoben 
werden. Doch das ist nicht alles. Um die Kraft der Kirche gegen- 
über jener Civilisation und der ganzen modernen Entwickelung zu 
stärken, soll die alte Streitfrage über die Stellung des Papstes zum 
Concil zu Gunsten des ersteren entschieden und derselbe für infallibel 
erklärt werden, nicht zwar für jede seiner Meinungen oder jeden 
seiner Einfälle, aber doch für alles, was er als Haupt der Kirche 
Tex cathedra verkünde. Werden so die Bischöfe dem Papste gänzlicht 
untergeordnet und von demselben durchaus abhängig gemacht, so soll 
dagegen ihre Gewalt gegenüber dem niederen Clerus noch verstärkt 
und die Erziehung der künftigen Cleriker noch mehr als bisher in 
ihre Hände gelegt und von allem weltlichen Einflusse, allen höheren 
Unterrichtsanstalten des Staats noch mehr als bisher losgelöst wer- 
den. Diese Angaben lauten um so wahrscheinlicher, als derartige