Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunter Jahrgang. 1868. (9)

72 Preußen und der norddeutsche Bund. 
aus dem Staatsdienste, um sich ganz der parlamentarischen Thätigkeit 
zu widmen. 
20. Mai. (Zollverein). Zollparlament: Berathung des vom Zoll- 
bundesrathe vorgelegten neuen Zolltarifs. Die vorgeschlagene Pe- 
troleumsteuer von 15 Sgr. auf den Centner wird mit 190 gegen 90 
Stimmen abgelehnt. 
Debatte: v. Patow (Preußen): Erhöhungen der Matrikular-Beiträge 
für die norddeutschen Bundesstaaten und Erhöhung der direkten Steuern in den 
Südstaaten seien ohne die Petroleumsteuer ganz unausbleiblich. Die bekannten 
Etats dieser Staaten könne man nicht ignoriren. Mit der Ablehnung der 
Petroleumsteuer begehe man Angesichts unserer Finanzlage eine Sünde. 
M. Barth (Bayern): Das Zollparlament habe nur einen Werth als Ueber- 
gangsstadium zum Vollparlament. So lange nur das Zollparlament besteht, 
kann ich nicht läugnen, daß die Hauptschwäche dieser hohen Versammlung 
darin liegt, daß sie blos über Zölle und indirekte Abgaben zu votiren hat, 
ohne irgendwie sagen zu können, was denn mit den Geldern, die damit ge- 
wonnen werden, geschieht, und ohne irgendwie die Verwendung derselben con- 
troliren zu können. Hätten wir eine staatliche Einrichtung, vermöge deren 
die Gelder, die wir hier votiren, auch verwendet würden durch eine gemein- 
schaftliche deutsche Behörde, die unserer Controle in Bezug auf die Verwend- 
ung unterstände, so würden wir bei der Bewilligung von Geldern eine viel 
freiere Bewegung haben, als gegenwärtig der Fall ist. Aber es ist doch eine 
Einrichtung, die, so lange die Weltgeschichte besteht, noch in keinem Staate 
dagewesen ist, daß eine politische Körperschaft die Einnahmen votirt und eine 
andere über deren Verwendung bestimmt. Welche Confusion daraus entsteht, 
davon habe ich mich schon in den letzten Tagen überzeugt, theils hier im 
Plenum bei der Generaldebatte, theils auch bei den freien Besprechungen, 
welche zwischen den verschiedenen Mitgliedern des hohen Hauses stattgefunden 
haben. Wir befinden uns schon mitten in einer Art von Wirrwar, der Eine 
spricht von dem Budget, welches nächstens dem norddeutschen Reichstage vor- 
gelegt werden soll, der Andere spricht von der Schwierigkeit und den Be- 
schwerden, welche sein kleiner Staat hat, die Matrikularbeiträge aufzubringen, 
deren der norddeutsche Reichstag bedarf; wieder ein Anderer beklagt sich, daß, 
wenn man Abgaben votirt im preußischen Staate, so sei die Einrichtung in 
dem preußischen Staate so, daß diese Abgaben, auch wenn sie direkte sind, 
nicht wieder abgeschafft werden können ohne Zustimmung sämmtlicher gesetz- 
gebender Factoren; ein Vierter sagt: Gott sei Dank, ich bin ein Süddeutscher, 
in meinem Staate steht es besser, wir haben eine zweijährige Finanz-Periode, 
und alle zwei Jahre kann ich bestimmen, wie viel direkte Steuern erhoben 
werden sollen, da kann ich schon etwas mit der Petroleumsteuer wagen! — 
Es hat also da ein Jeder andere Motive, und Jeder hat einen anderen Staat 
im Sinne. Das ist aber nur der Anfang! Lassen Sie die Sache nur erst 
etwas weiter wachsen, dann werden Sie bald sehen, wohin wir kommen, dann 
wird eine solche Sache verwiesen von einer Behörde an die andere, so oft 
man Geld gebraucht. So lange wir nicht klar sehen über die Folgen unserer 
Beschlüsse, müssen wir zurückhalten. Man wird vielleicht sagen, ja, dann 
muß das Zollparlament wieder zusammenkommen. Das ist es ja gerade, was 
ich will, ich will, daß das Zollparlament im nächsten Jahre wieder zusam- 
menkomme, was bekanntlich in seiner Verfassung nicht liegt. Ich will aber, 
daß diese Verbindung zwischen den Mitgliedern der sämmtlichen deutschen 
Länder, welche dem Zollverein angehören, so schwach sie auch sein mag, unter- 
halten werde, daß wir hier die langsame Arbeit der Verständigung fortsetzen, 
und wenn ich ein Mittel in der Hand habe, die verbündeten Regierungen zu 
nöthigen, daß sie uns jedes Jahr berufen, so werde ich dieses Mittel meiner- 
seits nicht aus der Hand geben. Das ist meine Politik.