Preußen und der norddeutsche Bund. 93
internationalen Arbeiterassociation zu dem seinigen machen, gegen welchen
Antrag jedoch schon vorher eine Anzahl Vereine protestirt hatten, mit der be-
stimmten Erklärung, daß der Verband durch Annahme derselben werde ge-
sprengt werden. Nach längerer Discussion wird der Antrag mit 68 gegen
48 Stimmen angenommen, worauf die Minderheit unter Protest das Lokal
verläßt und sich sofort auf Grund des bisherigen Programms als „deutscher
Arbeiterbund“ selbständig constituirt. Das angenommene neue Programm
lautet: „1) Die Emancipation der arbeitenden Klassen muß durch die arbei-
tenden Klassen selbst erobert werden. Der Kampf für dieselbe ist nicht ein
Kampf für Klassenprivilegien und Monopole, sondern für gleiche Rechte und
gleiche Pflichten und für die Abschaffung der Klassenherrschaft. 2) Die öko-
nomische Abhängigkeit des Mannes der Arbeit von den Monopolisten der
Arbeitswerkzeuge bildet die Grundlage der Knechtschaft in jeder Form, des
socialen Elends, der geistigen Herabwürdigung und politischen Abhängigkeit.
3) Die politische Bewegung ist das unentbehrliche Hilfsmittel zur ökonomischen
Befreiung der arbeitenden Klassen. Die sociale Frage ist mithin untrennbar
von der politischen, ihre Lösung durch diese bedingt und nur möglich im
demokratischen Staat. Ferner in Erwägung, daß alle auf die ökonomische
Emancipation gerichteten Anstrengungen bisher an dem Mangel der Solida-
rität zwischen den vielsachen Zweigen der Arbeit jedes Landes und dem Nicht-
vorhandensein eines brüderlichen Bandes der Einheit zwischen den arbeitenden
Klassen der verschiedenen Länder gescheitert sind; daß die Emancipation der
Arbeit weder ein locales, noch ein nationales, sondern ein sociales Problem
ist, welches alle Länder umfaßt, in denen es moderne Gesellschaft gibt, und
dessen Lösung von der praktischen und theoretischen Mitwirkung der vorge-
schrittensten Länder abhängt: beschließt der fünfte deutsche Arbeitervereinstag
seinen Anschluß an die Bestrebungen der internationalen Arbeiterassociation.“
7. Sept. (Preußen). Imposante Parade in Berlin als Einleitung
zu den militärischen Uebungen und Schaustellungen, an denen der
König in den nächsten Wochen Theil nehmen will und deren innere
Bedeutung neben dem äußeren Gepränge nicht verkannt werden kann.
7.9. (Preußen). Die Beträchtungen der offiz. Blätter über die
verheißenen Reformarbeiten lassen kaum einen Zweifel darüber, daß
man im Ministerium vorläufig gar noch nicht ernstlich an neue
Organisationen denkt und sie vorerst noch auf die lange Bank schieben
zu können meint.
8.—9. Sept. (Preußen). Der König besucht den König von Sachsen
in Dresden und wohnt den Manövern des sächs. Armeecorps bei.
9. Sept. (Preußen: Kurhessen). Der kurfürstl. Secretär Preser wird
in contumaciam zu drei Jahren Zuchthaus verurtheilt.
9.9. (Preußen: Frankfurt). Der König überweist die ihm vom
Magistrat gemachte Eingabe mit dem Rechtsgutachten des Professor
Zöpfl den Kronsyndicis zur Beurtheilung.
9.9. (Preußen). Die offiz. Prov.-Corr. vertheidigt das Ministerium
des Innern gegen die Anklagen wegen Nichtbestätigung von Gemeinde-
wahlen trotz der Beilegung des Conflicts seit 1866.
Dieselbe legt in langer Auseinandersetzung dar, daß von dem Augenblick
der Beilegung des Conflicts mit dem Abgeordnetenhause an der Minister auch
bei der Prüfung der Communalwahlen die politischen Gesichtspunkte „wieder
in den Hintergrund treten ließ". Die Einwirkung des Ministers in Betreff
der Bestätigung von Communalwahlen sei eine zweifache. Bei den Wahlen