Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunter Jahrgang. 1868. (9)

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Preußen und der norddeutsche Bund. 
der Bürgermeister und Beigeordneten der großen Städte, für welche die Be- 
stätigung des Königs einzuholen ist, habe der Minister durch seinen Bericht 
und Antrag die Entscheidung des Königs vorzubereiten. Alle anderen Wahlen 
unterlägen der Bestätigung durch die Regierungen, und nur, wenn gegen 
deren Aussprüche Beschwerde erhoben werde, habe der Minister diese Beschwerde 
zu prüfen und darauf zu entscheiden. Unter 81 Wahlen nun, welche seit 
dem 1. Juli 1866 behufs Allerhöchster Bestätigung unmittelbar zur Kenntniß 
des Minister gelangten, seien nur 5 nicht bestätigt worden, unter den 76 
Bürgermeistern und Beigeordneten großer Städte, welche die Bestätigung er- 
halten, befinde sich eine große Zahl von Männern der entschiedensten liberalen 
Gesinnung. In Betreff derjenigen Wahlen, welche zunächst bei den Regier- 
ungen zur Entscheidung kommen, sind die Behauptungen der Prov.-Corr. 
weniger decidirt. Hier, sagt sie, sei die Verhältnißzahl der Bestätigungen 
„nicht genau festgestellt“; unter den nicht zahlreichen Fällen, welche auf dem 
Beschwerdewege zur Kenntniß des Ministers gelangt seien, sei jedoch „mehr 
als die Hälfte“ durch nachträgliche Bestätigung erledigt worden. 
10.—21. Sept. (Preußen). Der König besucht Schwerin, Lübeck, Kiel, 
Flensburg, Apenrade, Alsen und Düppel, Schleswig, Altona und 
Hamburg und wohnt bei Schwerin und bei Schleswig großen 
Manövern bei. Die Aufnahme des Königs ist überall in Schleswig- 
Holstein keine begeisterte, aber eine entschieden freundliche. Die Aus- 
dehnung der Reise bis Hadersleben wird abgelehnt, um den dänisch 
Gesinnten keinen Anlaß zu der vorbereiteten Demonstration zu geben. 
Lübeck und Hamburg haben den König zum Besuch freundlich ein- 
geladen und feiern denselben enthusiastisch. 
Anrede des Rectors der Universität in Kiel an den König: 
. . .  Was könnten wir denn mehr wünschen, als daß Gott der Herr 
Ew. Maj. noch lange erhalte und nach wie vor zur Lösung der hohen Auf- 
gabe stärke, die er Ihnen gestellt hat? Er hat es Ew. Maj. gegeben, mit 
Ihrem Königreich zugleich das gesammte Deutschland zu einer Macht zu er- 
heben, die auch den mächtigsten Nachbarn das Schwert in der 
Scheide hält. Er wolle Ew. Maj. nun auch den ruhmvollen und theuer 
erkauften Frieden bewahren helfen, auf den das Vaterland hinschaut als auf 
die Grundbedingung seiner Wohlfahrt und seines freudigen Fortschritts in 
Allem, was der Menschheit zur Ehre und zum Segen gereicht!“ Antwort 
des Königs: . . . Ja, daß wir uns heute vertrauend und mit gutem 
Willen einander gegenüber stehen, ist erst durch Krieg ermöglicht worden. 
Uebrigens sehe ich in ganz Europa keine Veranlassung zu einer Störung 
des Friedens und sage das zu Ihrer Beruhigung. Was Sie aber noch mehr 
beruhigen wird, das ist der Blick auf die mit Ihnen hier versammelten Re- 
präsentanten meiner Armee und meiner Marine (General Roon und Admiral 
Jachmann), dieser Kraft des Vaterlandes, welche bewiesen hat, daß sie sich 
nicht scheut, einen ihr aufgezwungenen Kampf aufzunehmen 
und durchzufechten.“ 
In Lübeck wird dem König am 13. Sept. ein von einem frischen Lor- 
beer- und Eichenkranz umwundenes, von Em. Geibel verfaßtes Gedicht im 
Namen der Stadt überreicht, das die neu erstandene Macht Preußens und 
Deutschlands seit 1866 feiert und dahin schließt: 
„Und sei's als letzter Wunsch, gesprochen, 
Daß noch dereinst Dein Aug' es sieht, 
Wie über's Reich ununterbrochen 
Vom Fels zum Meer Dein Adler zieht.“