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Oesterreich-Angarn.
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der Landesgesetzgebung verantwortlichen Landesregierung —
getragen von dem Vertrauen des Landes und der allgemeinen Ueberzeugung,
daß ihre Handlungen die Ausführung der vom Landtage beschlossenen Gesetze
sind — es steht zu hoffen, daß es einer solchen Regierung gelingen wird, die,
wir mühssen es offen sagen, tief erschütterte Autorität wieder zu fester Geltung
zu bringen, dabei durch genaue Kenntniß von Land und Volk Mißverständ-
nissen vorbeugend, allseitig versöhnend, Gegensätze mildernd zu wirken und
durch einen vereinfachten Geschäftsgang bei möglichst schonender und gerecht ver-
theilter Belastung des Landes den Ansprüchen an eine gute Administration
zu entsprechen.
„Ebenso entschieden haben wir andererseits das Streben bethätigt, in jeder
Weise die Einheit und Kraft des Gesammtreiches zu stützen und zu för-
dern, den innigen und untrennbaren Verband aller seiner Glieder zu wahren
und zu kräftigen. In Anbetracht der Grenzen, welche der gemeinsamen Be-
handlung gemeinsamer Angelegenheiten durch das Uebereinkommen mit Un-
garn gesetzt sind, mußten wir dem Königreiche Böhmen in allen durch dieses
Uebereinkommen nicht berührten Aufgaben das ihm von Alters her zustehende,
durch die Entbehrung seiner Ausübung nur noch theurer gewordene Recht
der Selbstbestimmung und Selbstverwaltung vollständig wahren.
Doch glauben wir diese Pflicht nicht durch unbedingtes Festhalten an Rechts-
formen erfüllen, vielmehr — die Anforderungen der Zeit und des Lebens in
höherem Sinne erfassend — den Bedürfnissen des Ganzen manch schwerwiegen-
des Opfer bringen zu sollen. Von diesem Gesichtspunkte aus haben wir zu-
vörderst an die Spitze der Fundamental-Artikel die durch den berechtigten
Landtag Böhmens auszusprechende Anerkennung jener allen Königreichen und
Ländern gemeinsamen Angelegenheiten gesetzt, welche durch das Ueber-
einkommen mit Ungarn als solche erklärt worden sind; es wurden aber zu-
gleich in den Fundamentalartikeln solche Belange, deren essentielle Gemeinsam-
keit wir erkennen, obgleich eine allen Theilen der Monarchie gemeinsame
Behandlung derselben durch das Uebereinkommen mit Ungarn ausgeschlossen
ist, vom Landtage des Königreiches Böhmen als dem prinzipiellen Träger
dieses virtuell dem Lande allein zustehenden Rechtes auf einen zu diesem Zwecke
einzuberufenden Congreß von Delegirten der Landtage der nicht
zur ungarischen Krone gehörigen Königreiche und Länder über-
tragen und für die gemeinsame Verwaltung eben dieser Angelegenheiten aus-
reichend Sorge getragen. Durch solche Institutionen und durch die Theilnahme
des Königreiches Böhmen an denselben, glauben wir den Aufgaben des Ge-
sammtreiches die Mitwirkung der nichtungarischen Königreiche und Länder —
soweit es an uns ist — in allen jenen Richtungen als gesichert ansehen zu
dürfen, in welchen eine gemeinsame Action von dem Begriffe der Einheit des
Reiches und vom praktischen Bedürfnisse gefordert erscheint. Eine wahre, innere,
dauernde Kräftigung der Gesammt-Monarchie aber hoffen und erwarten wir
von dem durch die Befriedigung ihrer Rechtsansprüche und die Sicherung der
Bedingungen ihrer Existenz für den Bestand und die Macht des ganzen Reiches
gewonnenen festen und einmüthigen Einstehen aller Länder und Völker der
Monarchie. Eine solche Befriedigung und Sicherung allen Völkern des Reiches
gleich und gerecht geboten zu sehen, ist unser dringendes Verlangen; sie für
beide Nationen, welche Böhmen ihre Heimath nennen, mit allen Garantien
moralischer Verpflichtung und gesetzlichen Schutzes zu umgeben, das Ziel unseres
ernsten und aufrichtigen Strebens. Wir haben deßhalb auch die Regierungs-
vorlage eines Gesetzes, betreffend den Schutz des gleichen Rechtes der beiden
Nationalitäten im Königreiche Böhmen, eingehender Prüfung und Er-
wägung unterzogen. Mit schmerzlichem Bedauern haben wir hiebei der Mit-
wirkung der Abgeordneten deutscher Wahlbezirke entbehrt. Mit um so
ernsterer und gewissenhafterer Sorge haben wir uns die Pflicht der Wahrung
aller geistigen und materiellen Interessen der der deutschen Nationalität ange-