Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 247
secondaire et primaire der staatlichen Aufsicht und Leitung zu unterstellen,
sagen die Motive folgendes: „Dieser staatliche Einfluß ist ein Correlat des
Schulzwangs, mit dessen Einführung dem Staate die Verpflichtung erwächst,
für die zweckentsprechende Einrichtung des Schulwesens Sorge zu tragen; er
ist außerdem nothwendig, um zu verhüten, daß diejenigen Schulanstalten in
Elsaß= Lothringen, welche gegenwärtig der Einwirkung des Staates in we-
sentlichen Beziehungen entzogen sind, den Bestand der öffentlichen Schulen und
die Erreichung ihres Zweckes gefährden. Die Privat= und geistlichen Unter-
richtsanstalten, auf welche dieß zutrifft, galten schon vor der Einverleibung
des Landes in das deutsche Reich als ein besonders wirksames Mittel zur
Befestigung französischen Wesens; sie werden auch jetzt noch mit Vorliebe von
den der deutschen Regierung abgeneigten Elementen der Bevölkerung gefördert
und beschickt. Die Fortdauer dieses Zustandes würde der deutschen Regierung
eines der wichtigsten Mittel, das deutsche Nationalbewußtsein wieder zu be-
leben, entziehen und den geistigen Anschluß an Deutschland in einer für die
staatliche Ordnung und Sicherheit bedenklichen Weise erschweren. Die bestehende
Gesetzgebung gewährt aber nicht die Möglichkeit, darin Wandel zu schaffen,
weil sie der Controle und Leitung des Staates nur einen beschränkten Spiel-
raum läßt. Jeder, welcher ein bestimmtes Alter, eine gewisse Befähigung
und seine Unbescholtenheit nachweist, kann ohne besondere Genehmigung der
Staatsregierung eine Primär= oder Sekundärschule errichten. Die Aufsicht
des Staates beschränkt sich bezüglich des Unterrichts allgemein darauf, daß
derselbe nichts enthalte, was der Moral, der Verfassung und den Gesetzen zu-
widerlaufe. Die von geistlichen Orden geleiteten Mädchenerziehungsanstalten
unterlagen bisher thatsächlich nur der Inspektion durch Geistliche. In den
geistlichen Anstalten für Sekundärunterricht bedürfen weder Leiter noch Lehrer
eines Befähigungsnachweises, nur die Errichtung neuer derartiger Anstalten
ist von der Genehmigung der Staatsbehörden abhängig. Die Geistlichen der
cultes reconnus endlich dürfen ohne brevet de capacité oder certificat de
stage als Primärlehrer fungiren und je an höchstens 4 junge Leute, die für
Gcoles ecclésiastiques bestimmt sind, Sekundärunterricht ertheilen, ohne den
Vorschriften des Unterrichtsgesetzes unterworfen zu sein.“
— Dec. (Preußen.) Der Cultminister hat schon vor einiger Zeit an
die königlichen Regierungen Auftrag gegeben, als Material für ein
Gesetz über die Errichtung von Kirchenvorständen und Gemeindever-
tretungen für die katholischen Kirchengemeinden genaue Übersichten
sammeln zu lassen „über die mit der Verwaltung des örtlichen Kirchen-
vermögens in den einzelnen Gemeinden betrauten Organe und ihre
Befugnisse, sowie über die Betheiligung der Kirchenpatrone bei der
gedachten Verwaltung.“
Die Regierungen haben dem entsprechend Verfügungen an die Landräthe
und diese an die ihnen untergeordneten Organe erlassen. Am ausführlichsten
sind die zu bearbeitenden Fragen in einer landräthlichen Verfügung aufgestellt,
welche aus Westphalen veröffentlicht wird. Sie lautet: „Höheren Orts ist
eine Übersicht über die mit der Verwaltung des örtlichen Kirchenvermögens
in den einzelnen katholischen Gemeinden betrauten Organe und ihre Befug-
nisse, insbesondere genaue Auskunft Über folgende Punkte gefordert: 1) Die
Art der Bestellung der sogenannten Kirchenvorsteher, Kirchenväter, Kirchen-
meister, ob diese erfolgte durch Wahl der Gemeinde (wobei das Nähere über
die Wahlberechtigung, Art der Wahl, Nothwendigkeit der Bestätigung 2c.
anzugeben), durch Ernennung, Bestallung oder Präsentation der Patrone, oder
endlich durch einseitige oder in welcher Weise faktisch oder rechtlich beschränkte
Ernennung der geistlichen Behörden, ob und inwiefern bei der durch Dri“