Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

II. 
Die Oesterreichisch- Angarische Monarchie. 
10. Jan. (Oesterreich.) Die amtliche Zeitung veröffentlicht den Rech- 
nungsabschluß über den Staatshaushalt für 1870. Derselbe ist 
außerordentlich befriedigend: statt der präliminirten fl. 317,241,200 
waren fl. 355,570,518 also über 38 Millionen mehr in die Kassen 
geflossen; dagegen wurden 8 Millionen weniger, als veranschlagt, 
ausgegeben. Das Gesammtergebniß stellt sich daher um 46 /2 Mill. 
günstiger heraus. 
Das seit 6 Jahren constatirte stetige Steigen der direkten wie der indirekten 
Staatseinnahmen beweist, daß der Volkswohlstand in gesundem Wachsthume 
begriffen ist und daß man es dabei keineswegs mit einer nur zufällig gün- 
stigen, bloß ephemeren Erscheinung zu thun hat. 
13.— 15. Jan. (Oesterreich.) Reichsrath, Abg.-Haus: Adreßdebatte. 
Der Entwurf der Commission sucht die Regierung bezüglich der Wahl- 
reform über die in der Thronrede des Kaisers gemachten Zusagen 
hinauszudrängen. Erklärung des Ministerpräsidenten Fürst Auersperg. 
Erklärungen der Polen, der Slovenen und der Tyroler. Die Ant- 
wortsadresse wird schließlich mit allen gegen die Stimmen der Polen, 
Slovenen, Dalmatiner und Tyroler angenommen. 
Die entscheidende Stelle des Adreßentwurfs lautet: „. Dagegen er- 
scheint es nach den Erschütterungen, welche die jüngste Vergangenheit mit sich 
brachte, und bei der durch sie gewonnenen Klarstellung der Lage und der sich 
geltend machenden Ansprüche, als unsere dringende Pflicht die Regierung in 
ihrem Streben, den verfassungsmäßigen Rechtszustand zu befestigen, vertrauens- 
voll zu unterstützen, und verceint mit derselben dahin zu wirken, daß die Ver- 
fassung feste Wurzel fasse. Dieß kann aber nach unserer durch die Vorgänge 
der letzten Zeit immer mehr gefestigten Ueberzeugung nur dadurch geschehen, 
daß die Reichsvertretung in selbständiger, ron dem Belieben der Landtage un- 
abhängiger Weise gebildet wird. Auch wir erblicken hierin die unmittelbare 
Verkörperung des österreichischen Staatsgedankens, und nicht minder die Ge- 
währleistung des unbestreitbaren Rechtes der treu zum Reich und zu seiner 
Verfassung stehenden Bevölkerung eines jeden Landes, in dem Reichsrathe ver- 
treten sein — ein Recht, welches ihr durch Mißbrauch des verfassungsmäßigen
	        
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