Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Die päpstliche Curie. 455 
10. März. Abhaltung eines Trickhuums zur Sühne für die Disputation 
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mit den Protestanten. 
„ Ein päpstliches Breve ordnet die Verschmelzung aller kath. Vereine 
der Halbinsel in eine große Verbindung (federazione Piana) an. 
2. Mai. Der Papst lehnt es ab, den Kardinal Fürsten Hohenlohe als 
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Botschafter des deutschen Reichs zuzulassen. 
„ Der Papst ernennt wiederum 10 Bischöfe für Italien. 
13. Juni. Der Papst empfängt eine Deputation der Vereine kath. Damen, 
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hält an sie eine Anrede, die bezeichnend ist für seine Anschauungen über An- 
dersgläubige und über Deutschland. „Unsere Widersacher,“ sagt er 
im Flusse seiner Rede, „bilden sich ein, daß, um die Bedrängnisse dieser Welt 
zu lindern (ich habe es kürzlich in einem ihrer Journale gelesen, die sich offi- 
zibs nennen, wiewohl ich nicht weiß, was sie eigentlich sind), sie bilden sich also 
ein, daß jebe Religion gut ist, und daß folglich die Gotteslästerungen eines 
Luther und Calvin, der Hochmuth und die Selbstüberhebung eines Photius, 
die Schändlichkeiten eines Mahomet zur Beruhigung der Gemüther binreichen. 
Und doch sind leider Jene die großen Nichtswürdigen. Beten wir, beten wir 
inständig für sie, damit sie die Verfolgung der Kirche Jesu Christi einstellen, 
die nur ihnen selber zum Verderben wird.“ Der Papst gedenkt schließlich der 
Ereignisse von 1845 und des Hasses, den man damals gegen die Tedeschi ge- 
nährt habe. Nach der „Voce de la Verita“ lautet dieser merkwürdige, geradezu 
deutschfeindliche Passus wie folg!: „In den ersten Jahren meines Pon- 
tisikats, ehe ich Rom unter dem Drucke der Revolution verließ, verkehrte ich 
mit einem Manne, der, heute todt, damals Minister war, einer von den Vielen, 
die sich damals in solcher Stellung ablösten. Er war revolutionär genug, 
aber ein Revolutionsmann von der ruhigen Sorte, keiner von denen, welche 
Dolch und Revolver zur Hand nehmen. Dieser sagte mir einst unter vielen 
Betheuerungen: „Sind einmal die Deutschen aus dem Lande (und er fügte 
dem Wort „Deutschen“ ein sehr unliebsames Beiwort hinzu), so verlangen 
wir weiter nichts. Wenn wir von diesem verhaßten Joche befreit sein werden, 
wollen wir Ihre getreuen Unterthanen sein, und wehe dem, welcher die Heilig- 
keit der Religion Christi angreifen wollte, — dieser Religion, deren Vertheidiger 
wir immer sein werden, indem wir Ihnen zu Befehl stehen, um diese Lehre 
in ihrer Reinheit zu bewahren.“ Nun gut, Ihr habt gesehen, was sich ereignet 
hat. Der Wind hat diese Versprechungen weggeweht und sie liegen, welke 
Blätter, auf der Erde. Ihr habt gesehen, wie diese Leute handelten, als die 
Deutschen einmal aus dem Lande waren: was bei ihnen Eintracht, Einigkeit, 
Friede heißt. Ihr habt gesehen, wie sie Provinzen gewannen, welche sie ver- 
loren hatten. Dann habt Ihr gesehen, welche Complimente man den Deut- 
schen machte. Der Deutsche, welcher vor 24 Jahren ein so treuloser Feind 
war, ist heute Gegenstand der Verehrung. O die verkehrte Welt! Das Band 
5 gen für gewisse Nationen ist heute der Haß gegen Gott und seinen 
ristus.“ 
„ Der Papst richtet an diesem Tage, dem 26. Jahrestag seiner 
Erhebung auf den päßpstlichen Stuhl, als Antwort auf die von der 
italienischen Regierung in Aussicht gestellte Aufhebung der religiösen 
Orden einen offenen Brief an den Cardinal-Staatssekretär Antonelli, 
in dem er ihm die augenblickliche Lage der Kirche und ihres Ober- 
hauptes einläßlich schildert, gegen jene Aufhebung als gegen ein Atten-
	        
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