Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Dle päpstliche Eurie. 457 
den um ihr legitimes Eigenthum gleich. Die Unterdrückung der religiösen 
Orden in Rom ist also nicht bloß eine offenbare Ungerechtigkeit gegen Indi- 
viduen, die sich um die menschliche Gesellschaft verdient gemacht haben, sondern 
sie ist ein wahres Attentat auf das internationale Recht der ganzen katholischen 
Christenheit. Die Dankbarkeit legt Uns ferner die Pflicht auf, hervorzuheben, 
daß die Unterdrückung der religiösen Körperschaften in Rom dem apostolischen 
Stuhl, bei welchem die ausgezeichnetsten Mitglieder dieser Orden als nützliche 
Mitarbeiter im heiligen Ministerium sich bethätigen, keinen geringen Schaden 
zusügen würde. Als solche wohnen sie den verschiedenen kirchlichen Congrega- 
tionen bei und geben bald Aufklärungen über die verschiedenen Missionen, 
welche ihrer Sorge anvertraut sind, bald widmen sie sich tiefgehenden Studien 
zur Widerlegung falscher Lehren, bald endlich verkündigen sie ihr weises Ur- 
theil über die verschiedenen disziplinarischen Fragen der einzelnen Kirchen der 
ganzen katholischen Welt. Der wahre Zweck des von der usurpatorischen Re- 
gierung projektirten Gesetzes der Unterdrückung der religiösen Körperschaften 
liegt also klar am Tage. Es ist nichts Anderes als die Fortsetzung jenes un- 
heilvollen und subsersiven zerstörerischen Werkes, welches seit dem Tage der 
gewaltsamen Besetzung Roms in heuchlerischer Weise zum Schaden nicht 
bloß Unserer weltlichen Gewalt, sondern insbesondere auch zum Nach- 
theil Unseres obersten Apostelamtes ausgeführt wird. Sie wissen, 
Herr Cardinal, wie sehr Unser Herz bei dem täglichen Anblick all dieses Un- 
glücks der Kirche zerfleischt wird. Wenn Uns nun Gründe hohen religiösen 
Interesses riethen, in der jetzigen Lage der Dinge diese so sehr von Uns ge- 
liebte Stadt, den Sitz des römischen Pontifikats, vorläufig nicht zu verlassen, 
so geschah dieß gewiß nicht ohne eine besondere Fügung der göttlichen Vor- 
sehung, damit die Welt sich durch die That von dem Loos überzeuge, welches 
der Kirche und dem römischen Oberhirten vorbehalten ist, wenn die Freiheit 
und Unabhängigkeit seines höchsten Apostolats durch das Aufgeben einer Posi- 
tion, die ihr providentiell von Gott angewiesen ist, in Frage gestellt wird. 
Und wer kann sich in der That in der neuen Ordnung der Dinge frei und 
unabhängig nennen? Es genühgt nicht, sich für den Augenblick materiell per- 
sönlich frei nennen zu können; es ist nothwendig, in der Auslübung seiner höchsten 
Autorität frei und unabhängig zu sein und vor den Augen aller Welt so zu er- 
scheinen. Der Papst aber ist weder, noch wird er frei und unabhängig sein, so 
lange seine höchste Autorität der Vergewaltigung und Willkür einer feindlichen 
Gewalt unterworfen ist; so lange sein erhabenes Amt Zielscheibe des Einflusses und 
des Vorwaltens politischer Leidenschaft ist; so lange seine Gesetze und Dekrete nicht 
über den Verdacht der Parteilichkeit oder der Beleidigung für die verschiedenen 
Nationen erhaben sind. In der neuen, dem Pontifikat nach der Usurpation des 
Kirchenstaats bereiteten Lage ist der Kon flikt zwischen beiden Gewalten 
unvermeidlich; die Eintracht, die Harmonie kann nicht vom guten Willen der 
Menschen abhängen. So wie die Beziehungen beider Gewalten auf einem 
albernen System beruhen, können auch die Wirkungen dieses Verhältnisses keine 
anderen sein, als daß sie nothwendigerweise aus feindlich entgegengesetzten Ele- 
menten hervorgehen, welche dieselben in beständigem und peinlichem Kampf 
erhalten müssen. Die Geschichte selbst ist reich an Konflikten zwischen beiden 
Gewalten und an Beispielen von Bewegungen in der christlichen Familie, so- 
bald die römischen Oberhirten auch nur momentan der Autorität einer frem- 
den Gewalt untergeordnet waren. Die Ursache hievon leuchtet ein. Da die 
Welt in eine ziemlich beträchtliche Zahl von Staaten getheilt ist, die unab- 
hängig von einander, theils stark, theils schwach find, so konnten der Friede 
und die Ruhe in den Gewissen der Getreuen nur vermöge ihrer Sicherheit 
und Ueberzeugung von der hohen Unparteilichkeit des allen Gläubigen gemein- 
samen Vaters und der Unabhängigkeit seiner Akte bestehen. Wie könnte dieß 
nun heute der Fall sein, wenn die Aktion des römischen Oberhirten beständig 
der Parteiagitation, der Willkür der Regierenden, sowie der Gefahr ausgesetzt
	        
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