Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

Das deulsche Reich und leine einzelnen Glieder. (Dec. I1.) 197 
zu bringen. Deßhalb, weil ich das nicht zugeben kann, weil damit ein 
falsches Licht auf die Position der Staatsregierung und ein viel zu günstiges 
Licht auf Sie geworfen würde, darum muß ich den Hintergrund auch etwas 
spezieller ins Auge fassen, auf dem der Antrag sich bewegt, und der Hinter= 
grund, das ist der Antrag aus Wiederherstellung der Art. 15, 16 und 18 
der Verfassung. Nun, ich bin vollkommen davon durchdrungen, daß Ihnen, 
sachlich genommen, dieser Antrag erust ist. Ich bin vielleicht ein Zeuge, 
den Sie nicht verwerfen, wenn ich das ausspreche. Sie haben mit allen 
Kräften der Aenderung und Aufhebung der Verfassung widerstrebt, Sie haben 
jede Gelegenheit benußzt, darauf hinzuwirken, Fbao diese Artikel wieder her- 
gestellt werden. Wenn Zeitungen über die Reden Ihrer Führer recht be- 
richten, so haben Sie als Ausgangsziel in dem gegenwärtigen Kampfe noch 
viel größere Gedanken erstrebt, als die Wiederherstellung der Verfassungs- 
artikel. Das ist mir eben so unzweifelhaft, daß dieser Friede, der auf solchen 
Grundlagen zu Stande käme, Ihnen der beste und angenehmste wäre. Aber, 
m. H., andererseits begreise ich nicht, wie Sie anderen Leuten, als etwa 
denen, die sich unbedingt Ihren Worten als den nicht zu bezweifelnden 
unterwerfen, die Ueberzeugung beibringen wollen, daß Sie auf diesem Wege 
mit Ernst vorgehen. M. HH.! Was wollen Sie mit Ihrem Verfassungs- 
ankrag! Sie wollen zunächst ungeschehen machen einen Vorgang der Staats- 
regierung, den sie in jener Zeit nicht bloß um der prinzipiellen Klarstellung 
willen hier einbrachte, sondern um endlich einmal eine unbestrittene gesetz- 
liche Basis zu erhalten. Sie haben jederzeit von dem Geset vom 11. Mai 
1873 bis zum 4. Juli 1875, da die Verhandlungen über das Geset gingen, 
ja, noch voraus vor demjenigen. welches die Verfassungsartikel aufhob, Sie 
haben in jeder dieser Verhandlungen behauptet: trotz der Veränderung der 
Verfassungsurkunde sind alle diese Gesebe ungiltig und nichtig. Ich glaube 
nicht, daß ein einziges Gesetz der Kritik des Hru. Abg. Reichensperger oder 
anderer in dieser Beziehung, des Hru. Abg. Windthorst, des Hrn. v. Schor- 
lemer oder eines anderen der Herren, entgangen ist. Sie wissen, wie großes 
Gewicht die Staatsregierung darauf legte und legen muß, gegenüber allen 
Eventnalitäten, die der Lauf der Geschichte bringt, einen Boden zu haben, 
auf dem sie mit Sicherheit vorwärts gehen könnte, wenn es eben nothwendig 
sei, noch neue Gesehbe zu machen. Ae noch ein weiteres. Diese Wieder- 
herstellung der Artikel würde alle die Gesehe ohne Ausnahme über den 
Haufen wersen. Wenigstens in allen ihren wesentlichen Bestimmungen, das 
haben Sie nicht bloß behanptet, und wenn Sie es behauptet haben im An- 
gesicht der Abänderung der Verfassungsartikel, so werden Sie es mit größerem 
Nachdruck und besserem Rechte behaupten für die unveränderten ursprüng- 
lichen Artilel. Auch andere Factoren haben es behauptek, und selbst die 
Staatsregierung war vom ersten Augenblick an nicht ohne Zweifel, ob auch 
die ersten WGesebe der Verfaisungänderung bedürften. Sie muthen also der 
Staatsregierung einen Frieden zu auf der Basis der unbedingten Unter- 
werfung. Nun, einen solchen Vorschlag kann man wohl einem Gegner 
machen, der niedergedrückt am Boden liegt und an Händen und Füßen ge- 
knebelt ist, aber nicht einem Gegner gegenüber, der aufrecht steht und auf- 
recht stehen bleibt. (Beifall links, Lachen im Centrum.) Lachen bringt das 
nicht weg, das ist das schlechteste Mittel. Und nuun, sollte ich glauben, daß 
es klar wäre, wenn solche Bedingungen einem solchen Gegner gestelll. werden, 
daß, wenn in ihm — ich will davon nicht reden — das Gefühl der vLer- 
lehung nicht aufkommt, wenn er es nicht betrachten soll gar als eine 
höhnung, so jedenfalls scheint es mir doch klar zu sein, daß jeder verständige 
Mensch sich an seinen fünf Fingern abzählen kann: da ist ein Free un- 
möglich. Und die Herren sind ja so klug, daß ich auch sagen muß: erstens 
 
	        
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