Contents: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

394 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 4.) 
einander die Energie, eine solche Regierungsmethode jahrelang durchzuführen? 
Ich glaube, wenn wir auf die Erfolge unserer Politik in ähnlicher Rich- 
tung hinsehen, so müssen wir sagen: nein, nein! Nach vierzehn Tagen kommt 
einer, der bisher Anhänger einer solchen Politik war, und sagt: ja, aber 
das geht denn doch nicht, so eine strenge Maßregel, ist hier absolut un- 
angebracht. Und dann kommt man langsam wieder auf das Alte zurück, 
dann kommt man wieder auf eine Politik, die versöhnen will, die aber da- 
zwischen — bald so, bald so — Stöße austeilt und Zuckerbrot verabreicht, 
— eine Politik, die unmöglich ist, namentlich für unser Land. Um also 
ein klares Bild über die Absichten der Regierung zu bekommen, bitte ich 
den Herrn Reichskanzler ausdrücklich, uns in dieser Schicksalsstunde für 
Elsaß-Lothringen zu sagen, welche Maßregeln getroffen werden sollen, um 
Elsaß-Lothringen nicht vom Deutschen Reiche zurückzustoßen, sondern um 
es näher und fester mit unserem deutschen Vaterland zu verbinden. Das 
wünscht ja die unendliche Ueberzahl aller Elsässer; das wünschen vor allem 
wir Altdeutschen, wir Neuelsässer! Und so bitte ich den Herrn Reichs- 
kanzler nochmals dringend: nennen Sie uns die Maßregeln, die Sie er- 
greifen werden, zeigen Sie die Richtlinien, die eine glückliche Zukunft des 
Reichslandes Elsaß-Lothringen garantieren! (Lebhafter Beifall.) 
Kriegsminister v. Falkenhayn: Bedauerlicherweise bin ich bei den 
ersten Ausführungen des Herrn Abgeordneten van Calker nicht hier gewesen. 
Aber er hat dann die Frage an mich gerichtet, wie ich mir die Zukunft Elsaß- 
Lothringens in politischer Beziehung dächte. (Lebhafte Zurufe: An den 
Reichskanzler! — Große Unruhe. — Glocke des Präsidenten.) — Er hat 
direkt mich angeredet. (Widerspruch.) Er hat gesagt, wie denken Sie sich 
die Zukunft Elsaß-Lothringens? M. H., ich kann hier nur über die mili- 
tärische Zukunft sprechen. Das kann ich Ihnen sagen, wir werden schon 
Ordnung in der Armee halten, darauf können Sie sich verlassen. Ich bitte, 
sorgen Sie dafür, daß der Geist in die Bevölkerungsteile, die jetzt verhetzt 
sind, einzieht, (Zurufe: Einzieht?) oder besser gesagt, herausgeht, der jetzt 
darin gewesen ist, und der zu diesen bedauerlichen Vorkommnissen geführt 
hat. Mehr kann ich dazu nicht sagen. 
Präsident: M. H., es ist ein Antrag eingegangen, unterzeichnet von 
den Herren Abgg. Dr. Ablaß, Fischbeck und Genossen, lautend: „Der Reichstag 
wolle beschließen, festzustellen, daß die Behandlung der den Gegenstand der 
Interpellationen Röser und Genossen, Albrecht und Genossen und Delsor 
und Genossen bildenden Angelegenheit durch den Herrn Reichskanzler der 
Anschauung des Reichstags nicht entspricht.“ 
       4. Dezember. (Reichstag.) Fortsetzung der Besprechung der 
Interpellationen über die Vorgänge in Zabern. Mißtrauensvotum. 
Reichskanzler v. Bethmann Hollweg: Der Abgeordnete van Calker 
hat gestern am Schluß die Frage an mich gerichtet, wie denn noch weiter 
die Politik in Elsaß-Lothringen geführt werden soll. Ich will ihm darauf 
sofort antworten und zugleich auf einige andere Fragen eingehen, die gestern 
an mich gerichtet worden sind. Man hat mir vorgeworfen, ich hätte von 
den Zivilbehörden in Elsaß-Lothringen gänzlich geschwiegen. Mir ist es 
nicht eingefallen, durch mein Schweigen eine Kritik an der Haltung der 
Zivilbehörden in Elsaß-Lothringen zu üben. Worum handelte es sich gestern 
und auch heute? Um Angriffe auf die Militärverwaltung. M. H., das ist 
doch der Kern der Sache. Darüber habe ich gesprochen. M. H., mir ist 
weiter vorgeworfen worden, daß ich mich bei meiner Darstellung lediglich 
seine Militärberichte und nicht auf die Zivilberichte bezogen hätte. Das 
........ ich kenne die Zivilberichte ganz genau. (Lärm l. Glocke des
	        
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