566 Aebersicht der polilischen Enlwichlung des Jahreo 1880.
Teutsche Aber wenn sie den Anspruch erheben, in einem Theile Böhmens die
8 beutsche Sprache ganz verdrängen, in dem andern aber das Czcchische
Böhmen, dem Deutschen als vollständig gleichberechtigt an die Seite stellen
zu wollen, so machen sie sich einfach einer Ueberhebung und einer
Lächerlichkeit schuldig. Die Czechen besitzen noch keine nennenswerthe
Literatur; einige alte Volkslieder reichen dazu noch lange nicht aus:
was sie ihre Literatur neunen, besteht zu neun Zehntheilen aus Gebet-
büchern, Kochbüchern und aus Uebersetzungen; in dieser Beziehung
stehen sie weit hinter anderen flavischen Stämmen, wie z. B. den
Polen und sogar hinter den Russen zurück. Um etwas zu werden,
können sie der deutschen Sprache noch lange nicht entbehren; aber
Bescheidenheit ist nicht die Sache der Czechen, wenigstens nicht die
ihrer tonangebenden Führer. Von einer Versöhnung zwischen den
beiden Nationalitäten Böhmens war daher am Ende des Jahres
1880 weniger als je die Rede; selbst ein offenbar darauf abzielender
Besuch des Kaisers in Prag und Vrünn blieb ohne allen Erfolg;
im Gegentheil die Spaltung ist durch die Versuche Taaffes, den un-
mäßigen Begehren der Czechen zu entsprechen, nur eine viel größere
geworden. Die Bedeutung der Frage reicht aber weit über die
Grenzen Böhmens hinaus. Auch die Polen waren bemüht, das
Deutsche aus Galizien ganz zu verbannen und sich ausschließlich
polnisch einzurichten, ja selbst die Slovenen Krains #c. meinten,
schon auf eigen Füßen stehen und der deutschen Leitung ganz ent-
rathen zu können. Alle die interessanten Nationalitäten Oesterreichs
meinen jede sich selber zu genügen. Das ist die Grundidee und das
letzte Ziel aller föderalistischen Bestrebungen. Bis jetzt aber war
die deutsche Sprache der Kitt, der sie alle, die sich unter einander
nur schwer oder auch gar nicht verstehen, zu einem Ganzen zu-
sammenschloß. Deutsch war die Sprache der höheren Verwaltungs-
behörden unter einander, namentlich aber die Commandosprache der
gemeinsamen Armee. Die deutsche Sprache ist zwar nicht ver-
fassungsmäßig, wohl aber thatsächlich die Staatssprache Oeslerreichs.
Das vielsprachige Reich bedarf einer solchen ganz unausweichlich
und daß je eine andere als die deutsche dazu erhoben werden könnte,
ist gar nicht denkbar. Wenn daher je der reine Föderalismus in
Oesterreich siegen sollte, so wäre die Großmachistellung Oesterreichs
in Europa im höchsten Grade gefährdet und mehr als eine Provinz
desselben vermuthlich eine leichte Beute des russischen Colosses.
Die flavischen Völkerschaften Oesterreichs spielen freilich in