30 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 30- 31.)
30. Januar. (Baden.) II. Kammer: die Regierung legt
derselben einen Gesetzentwurf betr. die Aufbesserung gering besoldeter
Kirchendiener aus Staatsmitteln vor.
Eine solche Aufbesserung war vom Landtage schon im Jahre 1876
bewilligt worden und die Regierung schlägt demselben nunmehr vor, die
Bestimmungen des Gesetzes von 1876, soweit sie zu Ende des Jahres 1881
abgelaufen waren, bis Ende 1886, also auf 2½ Budgetperioden in Wirk-
samkeit zu belassen. Hiervon soll nur eine, und zwar eine der wichtigsten
Bestimmungen des Gesetzes ausgenommen sein, die übrigens nur die Katho-
liken des Landes, und zwar nur die römisch-katholischen Kirchengenossen
berührt. Es ist dieß die Bestimmung, daß die zur Aufbesserung katholischer
Pfarreien bewilligten Einkünfte nur insofern und insolange gewährt werden
dürfen, als die oberste Kirchenbehörde des Landes (für den altkatholischen
Teil der ihm vorgesetzte Bischof sich durch schriftliche Erklärung ver-
pflichte, alle Gesetze des Staates und rechtsgiltig erlassenen Anordnungen
der Staatsgewalt befolgen und die untergebenen Kirchendiener zu deren Be-
folgung anhalten zu wollen. Da der Erzbistumsverweser von Freiburg die
Abgabe einer solchen Erklärung ablehnte, war den ihm untergebenen
Geistlichen die in dem Gesetz in Aussicht gestellte Aufbesserung nicht zuteil
geworden. Der neue Entwurf will die Staats- regierung ermächtigen, unter
den vorliegenden tatsächlichen Verhältnissen von dieser schriftlichen Er-
klärung abzusehen In der dem Entwurfe beigegebenen Begründung
wird hervorgehoben, daß seit Erlaß jenes Gesetzes — wenn auch über manche
das Verhältnis zwischen Staat und Kirche berührende Fragen das katho-
lische Kirchenregiment eine Auffassungsweise, festhalten möge, die mit jener
der Staatsregierung nicht in grundsätzlicher Übereinstimmung sich befinde —
doch dessen tatsächliche Stellung derart sei, daß gegenwärtig keines der
Gesete und keine staatliche Anordnung wegen kirchlichen Widerstandes un-
vollzogen bleibe, gegen welche früher das Freiburger Kirchenregiment eine
feindliche Stellung eingenommen habe. Für die Dauer eines dem heutigen
Zustande entsprechenden verhältnisses könne daher von jener Erklärung Um-
gang genommen werden. Die Regierung verlangt also, daß ihr eine dis-
kretionäre Gewalt eingeräumt werde.
31. Januar. (Bayern.) II. Kammer: der Abg. Dr. Rittler
(von der äußersten Rechten) erstattet sein mit großer Spannung er-
wartetes Referat über das Kultusbudget.
Dasselbe ist ein sehr umfangreiches Aktenstück. Der Referent geht
darin nicht von einem staatlichen, sondern durchaus von streng kirchlich-
katholischem Slandpunkt aus. Die Einleitung und die Grundlage des ganzen
Berichts bildet unter dem Tilel „prinzipielle Gesichts- punkte“ eine kirchen-
politische Abhandlung über die alte Streitfrage bez. der sog. Tegernseer
Erklärung des Königs Max Joseph vom 15. September 1821*), welche
*) Dieselbe lautet wörtlich: Nachdem die wichtigsten Anstände. welche bisher
den Voll- zug des mit dem päpstlichen Stuhle unterm 5. Juni 1817 abgeschlossenen Kon-
kordates verzögert haben, nunmehr beseitigt sind, so ist es Unser Wille, daß dasselbe in
Königreich unterm I. April ergangenen päpstlichen Bulle, welche anfängt mit den Worten:
Dei ae demini nostri Jesu Christi. nebst den darauf sich beziehenden Exekutionsdekreten
des für dieses Geschäft von Seiner päpstlichen Heiligkeit an Unser Hoflager in der Person
des Herrn Franz Serra aus dem herzoglichen Geschlechte Saffano, Erzbischofs von Nicäa
abgeordneten apostolischen Runtius kein weiteres Hindernis gesetzt werden soll. Zugleich