152 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Novbr. 28.)
über diese Frage eine feste Überzeugung noch nicht gebildet. Übrigens habe
auch der Pater Weik sich mit dem Prinzip der Priorität einverstanden erklärt.
Dem Abg. Windthorst, welcher ausführt, daß die Ausschließung der
Jesuitenmissionen dem Prinzipe des Artikel 6 der Kongo-Akte widerspreche,
erwidert der Reichskanzler: „Ich acceptiere auch die Kongoprinzipien durch-
aus für Kamerun, mit der alleinigen Ausnahme, zu welcher die deutschen
Gesetze, die Sicherheit dieses Gebiets in vorkommenden Kriegsfällen mich
zwingen. Wir sind doch dort von französischen Besitzungen auf beiden Seiten
naheliegend begrenzt, und der Herr Vorredner kann doch nicht von mir ver-
langen, ich solle eine französische Mission, deren unbedingt befehlender Vor-
sitzender in Paris wohnt, dort etablieren; dazu ist in den Kongogrundsätzen,
die wir festgelegt haben, auch nicht der mindeste Anhalt, daß wir Angehörige
des Staates, der, im Falle die Gelegenheit sich böte, am meisten bereit ist,
uns feindlich gegenüber zu treten, gerade in unseren Besitzungen Wurzel
schlagen lassen.“
Der Abg. Windthorst zieht aus den Ausführungen des Reichskanzlers
den Schluß, daß thatsächlich die katholischen Missionen ausgeschlossen würden,
denn die katholische Mission habe glänzende Resultate nur durch die Orden
und diese würden durch die Maigesetzgebung aus Deutschland und damit aus
den Kolonien ausgeschlossen. Die Debatte, welche fast ausschließlich zwischen
dem Reichskanzler und dem Abg. Windthorst geführt wird, greift bald auf
das Gebiet der Kolonialpolitik und der Politik des Reichskanzlers im all-
gemeinen über. Auf die Worte des Abg. Windthorst: „Wir wollen erst
abwarten, was die Geschichte demnächst sagen wird, ob diese Mißregierung
Friedrich Wilhelms IV. besser war oder die des Fürsten Bismarck“ erwidert
der Reichskanzler: „Den Herrn Vorredner muß ich doch auf einen lapsus
noch aufmerksam machen, der ihm widerfahren ist. Er hat von der Re-
gierung des hochseligen Königs Friedrich Wilhelm IV. gesprochen, hat dem
gegenüber die jetzige Regierung gestellt; und weil er davor zurückschreckte,
die Regierung Sr. Majestät des Kaisers selbst zu tadeln und bei diesem
Vergleich in die Inferiorität zu bringen, so hat er der Regierung Sr. Majestät
des Kaisers die Regierung des Fürsten Bismarck — so, glaube ich, waren
seine Worte — substituirt. (Sehr richtig! rechts.) Ja, meine Herren, das
ist doch eine schwere Beleidigung meines eigenen treuen Royalismus, meiner
ehrlichen Anhänglichkeit. Meine Herren, ich habe nie etwas anderes ver-
langt, als der Diener meines Herrn zu sein. (Bravo! rechts und links.)
Ich bin der Diener des vorigen Königs gewesen, ich bin der Diener meines
jetzigen Herrn, und es gibt keinen Dienst, den er nicht von mir verlangen
könnte. Das bezeugt die Thatsache, daß ich trotz meines körperlichen Elends
noch hier bin und ihm diene, so lange meine Knochen zusammenhalten.
Aber von einer Regierung des vorigen Königs und des Fürsten Bismarck
zu sprechen, — welche Beleidigung für Se. Majestät den Kaiser liegt darin!
(Lebhaftes Bravo.) Welche Beleidigung für meine Ehrlichkeit, für meine
Treue, mit der ich diesem Herren diene als Vasall, als Beamter und als
Diener in jeder Beziehung! Ich hoffe, daß der Herr Vorredner einsieht,
daß er darin eine Beleidigung für mich und meinen Herrn ausgesprochen
hat, die er wohlthäte zurückzuziehen.“ (Lebhaftes Bravo.)
Nachdem der Abg. Windthorst die von ihm gebrauchte Wendung mit
dem parlamentarischen Gebrauch die Person des Monarchen nicht in die
Debatte zu ziehen motiviert hat, entgegnet der Reichskanzler: „Diese Fiktion,
daß die Person des Monarchen nie und unter keinen Umständen in die
Debatte gemischt werden solle, das ist eine konstitutionelle Fiktion, die dazu
erfunden ist, den Monarchen möglichst unschädlich zu beseitigen. Einer, von
dem nicht die Rede sein darf, der hat auch keinen Willen, der hat auch nicht