Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 28. — Dez. 1.) 153 
mehr mitzureden. Das war für die englischen Parteien, für die englischen 
Großen ein sehr nützliches Argument, um den königlichen Einfluß, der ihnen 
unbequem war, ganz bei Seite zu schieben. Ich kann es hier nicht an- 
erkennen, und es steht in unserer Verfassung auch nicht, in der preußischen 
wenigstens nicht; da hat der König ganz besondere Rechte, die besonders 
geltend gemacht werden.“ 
28. November. (Bayern.) Reichsratskammer: Malzaufschlag. 
Militärdienst der Theologen. 
Die Kammer nimmt den Malzaufschlag gemäß den Beschlüssen der 
Abgeordnetenkammer mit 34 gegen 7 Stimmen an, und geht über den An- 
trag Gabler, betreffend die Abkürzung der Militärdienstzeit der Geistlichen 
mit allen gegen 9 Stimmen zur Tagesordnung über in Erwägung, daß die 
Erklärungen der Regierung über möglichst milde Handhabung des Gesetzes 
genügten. 
Ende November. Die Ostafrikanische Gesellschaft erwirbt 
die Landschaft Uhehe. 
1. Dezember. (Polen-Interpellation.) Reichstag: Ver- 
handlungen über die Interpellation Jazdzewski und Genossen. 
Die von der polnischen Fraktion gestellte, von dem Zentrum, den 
Deutschfreisinnigen, Sozialdemokraten und Elsaß-Lothringern unterstützte 
Interpellation lautet: 
„In den letzten Monaten wurden viele Tausende von fremden Unter- 
thanen, namentlich aus den östlichen Provinzen des preußischen Staates, 
ausgewiesen oder für die nächste Zukunft damit bedroht. 
Wir richten an die Reichsregierung die Anfrage, ob diese Thatsache 
und ihre Begründung zu ihrer Kenntnis gelangt ist, und ob dieselbe bereits 
Schritte gethan hat oder noch zu thun beabsichtigt, um der weiteren Durch- 
führung der verhängten Maßregel entgegenzuwirken.“ 
Auf die Frage des Präsidenten, ob und wann der Vertreter der ver- 
bündeten Regierungen bereit sei, die Interpellation zu beantworten, erwidert 
der Reichskanzler: 
Ich habe zunächst dem Reichstage eine Allerhöchste Botschaft in Be- 
zug hierauf mitzuteilen: (Der Reichstag erhebt sich.) 
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von 
Preußen etc., thun kund und fügen hiermit zu wissen: Den Verhandlungen 
des Reichstags mit Aufmerksamkeit folgend, haben Wir aus der Tagesordnung 
des 1. Dezember ersehen, daß eine Interpellation in Aussicht steht, welcher 
die Rechtsauffassung zu Grunde liegt, als ob in Deutschland eine Reichs- 
regierung bestände, die verfassungsmäßig in der Lage wäre, Schritte zu thun, 
um die Durchführung von Maßregeln zu hindern, welche von Uns in 
Unserem Königreich Preußen bezüglich der Ausweisung ausländischer Unter- 
thanen angeordnet worden sind. Die Thatsache, daß diese rechtliche Voraus- 
setzung nach Ausweis der Unterschriften der Interpellation von der Mehrzahl 
der bisher anwesenden Mitglieder des Reichstags für richtig gehalten wird, 
legt Uns die Verpflichtung auf, derselben gegenüber Unsere Rechte im König- 
reich Preußen und die Rechte eines Jeden Unserer Bundesgenossen in Betreff 
der Landeshoheit ausdrücklich zu verwahren. 
 Wir haben gleich Jedem der verbündeten Fürsten wesentliche und 
unbestrittene  Hoheitsrechte der Einheit der Deutschen Nation willig geopfert 
und dem Reichstage bezüglich Unserer Staaten weitgehende Rechte eingeräumt.
	        
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