96 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 18.)
Dasselbe gilt, wenn 2 eine Mehrbelastung von Gemeinden an-
ordnen. Motive: Das Herrenhaus faßte in der vorigen Session den Be-
schluß: an die königliche Staatsregierung den Antrag zu richten, das Ge-
eignete wahrzunehmen, daß bei der Wiedergewährung größerer Freiheit und
Selbständigkeit an die römisch-katholische Kirche auch der evangelischen Kirche
ein entsprechend größeres Maß von Freiheit und Selbständigkeit und reich-
lichere Mittel zur Befriedigung der kirchlichen Bedürfnisse gewährt werden.
Inzwischen ist die kirchenpolitische Vorlage vom 13. Februar d. J. ins Herren-
haus eingebracht. Der vorliegende Entwurf bestimmt, welches Maß größerer
Freiheit und Selbständigkeit mit jenem Antrage beansprucht wird, und sucht
die desfallsigen Ansprüche zur gesetzlichen Geltung zu bringen. — B. Einen
Antrag an die Staatsregierung zu richten: Die königliche Staatsregierung
wird ersucht, dem nächsten Landtage einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch
welchen a) der evangelischen Landeskirche in den älteren Provinzen 1) zur
Begründung neuer Parochien entsprechend der Zunahme der Bevölkerung,
namentlich in den größern Städten, zunächst auf 15 Jahre jährlich 300, 000 M,
2) zur Herstellung von kirchlichen Seminaren und zur Einführung von Vi-
kariaten jährlich 225,000 M, 3) zur Beihilfe für Ablösung der Stolgebühren
jährlich 750,000 M, 4) für die Bedürfnisse der Ausübung des Kirchenregi-
ments jährlich 1,030,000 M, 5) zur dauernd gesicherten Gewährung eines
entsprechenden Einkommens der Geistlichen, zu ihrer Unterstützung und nach
ihrem Tode zur Unterstützung ihrer Angehörigen, sowie für sonstige kirch-
liche Bedürfnisse jährlich 4,870,000 M zur Disposition gestellt werden, wo-
gegen die in dem Etat des Kultusministeriums eingesetzten Bewilligungen,
soweit sie der evangelischen Landeskirche in den ältern Provinzen zu gute
kommen, fortfallen; b) durch welchen, soweit dazu ein Bedürfnis vorhanden
ist, entsprechende Leistungen in verhältnismäßigen Beträgen auch für die
evangelischen Landeskirchen in den seit 1866 mit Preußen vereinigten Lan-
desteilen und für die römisch-katholische Kirche zur Disposition gestellt wer-
den; c) durch welchen nach Fortfall des Vermerks zum Titel 4 Kapitel 124
des Etats für das Kultusministerium zunächst auf 15 Jahre, der dort er-
wähnte Fonds auch zur Uebernahme von jährlich drei neuen Patronaten mit
ihren Verpflichtungen seitens Sr. Majestät des Königs rücksichtlich der evan-
gelischen Landeskirchen und der römisch-katholischen Kirche in dem Verhältnis
verwendbar ist, daß für die Ubernahme von zwei evangelischen Patronaten
die Uebernahme je eines römisch-katholischen beansprucht werden kann. Mo-
tive: Das Herrenhaus faßte in der vorigen Session den Beschluß: an die
königliche Staatsregierung den Antrag zu richten, das Geeignete wahrzu-
nehmen, daß bei der Wiedergewährung größerer Freiheit und Selbständig-
keit an die römisch-katholische Kirche auch der evangelischen Kirche ein ent-
sprechend größeres Maß von Freiheit und Selbständigkeit und reichlichere
Mittel zur Befriedigung der kirchlichen Bedürfnisse gewährt werden. In-
zwischen ist die kirchenpolitische Vorlage vom 13. Februar d. J. ins Herren-
haus eingebracht. Der vorliegende Entwurf spricht aus: die Genehmigung
welcher Mittel und in welcher Weise dieselben zur Befriedigung kirchlicher
Bedürfnisse mit jenem Antrage beansprucht werden. v. Kleist-Retzow. Der
Antrag ist unterstützt durch 43 Mitglieder.
In der ersten Beratung werden die Anträge an eine Kom-
mission verwiesen. Diese beschließt am 13. Mai:
Dem Hause die Annahme eines Gesetzentwurfes zu empfehlen, der im
wesentlichen den von Hrn. v. Kleist-Retzow vorgelegten, die „Befreiung" der
Landeskirche betreffenden Vorschlägen entspricht, und schlägt bezüglich der
Dotationsfrage dem Hause folgende Resolution vor: „Die königliche Staats-