18 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 11.—14.)
die Rede, aber ich habe nie gehört — vielleicht wird es der Zukunft vor-
behalten, solche Gesetze einzuführen —, daß auch Abgeordnete, welche an
Beschlüssen teilnehmen, die ihr Land ins Unglück führen, einer Verantwort-
lichkeit dafür vor dem Richter unterliegen. (Bravo! rechts.) Wenn sie be-
wußterweise unser Land für den Krieg schwächen, dann halte ich ein solches
Gesetz für ein Bedürfnis; ich werde beantragen, daß es eingebracht wird.
Wenn wir unterliegen — ich wage diesen Gedanken ja gar nicht auszu-
denken; aber die Möglichkeit werden Sie mir doch nicht bestreiten, daß ebenso
gut, wie wir allein Frankreich geschlagen haben im Jahre 1870, Frankreich
siegreich sein kann, nachdem es seine Armee verdoppelt, seine Reserven ver-
dreifacht hat und mit der größten Bereitwilligkeit und Hingebung der Re-
gierung jede Kosten bewilligt hat, ohne auch nur je eine Sekunde darüber
zu diskutieren. Ich erinnere Sie daran, daß mit gewissem Mitleid die
französischen Blätter auf die Vorgänge im deutschen Reichstag, und mit was
für Schwierigkeiten die deutsche Regierung zu kämpfen hätte, wenn sie ihr
Vaterland stärken wollte, hingedeutet haben. Frankreich ist also unendlich
viel stärker, als es gewesen ist. Wenn wir es einmal geschlagen haben, so
liegt darin gar keine Bürgschaft, daß wir es wieder schlagen werden; wir
müssen diese Bürgschaften, sobald sie nach dem Urteil unserer kompetenten
Militärbehörden unzulänglich sind, verstärken. Wenn sie unzulänglich blie-
ben, und wenn wir geschlagen würden, wenn der siegreiche Feind in Berlin
stände, wie wir in Paris gestanden haben, wenn wir genötigt wären, seine
Bedingungen des Friedens anzunehmen, — ja, meine Herren, was würden
dann diese Bedingungen sein Ich spreche gar nicht von der Geldfrage, ob-
schon die Franzosen so glimpflich mit uns nicht verfahren würden, wie wir
mit ihnen verfahren sind; ein so gemäßigter Sieger wie der christliche Deutsche
ist in der Welt nicht mehr vorhanden. Wir würden dieselben Franzosen
uns gegenüber finden, unter deren Herrschaft wir 1807 bis 1813 gelitten
haben, und die uns ausgepreßt haben bis aufs Blut, — wie die Franzosen
sagen: saigner à blanc, d. h. so lange zur Ader lassen, bis die Blutleere
eintritt, damit der niedergeworfene Feind nicht wieder auf die Beine kommt
und in den nächsten 30 Jahren nicht wieder an die Möglichkeit denken kann,
sich dem Sieger gegenüberzustellen. Das hätten wir, wenn wir eben nur die
Staatsraison und nicht auch die christliche Gesinnung zu Rate zögen, wie
das kriegführende Frankreich das gewohnt ist, 1870 ebenso gut thun können,
wie Napoleon es im Jahre 1807 und später gethan hat. Wenn Sie die
Erzählungen der alten Leute aus jener Zeit lesen, wenn Sie, wie ich noch
in meiner Kinderzeit, unmittelbar die Erzählungen der Bauern, Landleute
und Gutsbesitzer über die Leiden der Fremdherrschaft im Lande angehört
hätten, — ich glaube, Sie würden auch ängstlicher sein vor der entferntesten
Möglichkeit, daß ähnliche Zustände wieder eintreten könnten. Aber das Geld
ist ja das wenigste; man würde dafür sorgen, daß das deutsche Reich so
stark nicht bleibt, wie es ist. Man würde, von der Rheingrenze ausgehend,
uns vom Rhein so viel abnehmen, wie man könnte; ich glaube nicht, daß
man sich mit Elsaß-Lothringen begnügen würde, man würde ein alterum
tantum dazu verlangen den Rhein abwärts. Auch das würde nicht genügen;
man würde vor allen Dingen die Herstellung des Königreichs Hannover ver-
langen. (Bewegung.) Allein auf diesem Wege und auf keinem anderen ist
das, was mir einer von den Herren Welfen sagte die Herstellung des wel-
fischen Staates auf gesetzmäßigem Wege, möglich; denn der Friedensvertrag,
den wir mit Frankreich — wenn wir überwunden sind, mit dem Sieger —
abschließen, kommt ja in die Gesetzsammlung und dann ist Hannover auf
gesetzmäßigem Wege hergestellt. Wir würden Schleswig ganz ohne Zweifel
an Dänemark verlieren. Uns in Polen lästige und erschwerende Bedingungen