Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dritter Jahrgang. 1887. (28)

Erankreit. (Juli 10. - 183.) 337 
ebenso erfolglos wie Boulanger selbst. Der Waggon dritter Klasse, in dem 
Boulanger schließlich Platz gefunden hat, wird von der Menge abgekoppelt 
unter dem Geschrei: „Nach Paris zurück! nicht abreisen!“ Der General muß 
aussteigen, endlich nach 2 Stunden gelingt es ihm, mit einigen Abgeordneten 
und Offizieren die Lokomotive, die ganz mit Bildern und Plakaten beklebt 
worden ist, zu ersteigen. Diese fährt allein ab, nachdem ein Teil des Volkes 
sich ihr entgegen zu stellen versucht hat; der Zug muß später gesondert ab- 
gelassen werden. 
Nach der Abfahrt des Generals teilt sich die Menge und demonstriert 
vor Rocheforts Hause und anderwärts. 
Auf der Fahrt wird Boulanger an verschiedenen Orten trotz der 
späten Nachtstunden durch Ovationen gefeiert. 
10. Juli. (Die Regierung und die Kundgebungen für 
Boulanger.) Bei der Preisverteilung der polhytechnischen Gesell- 
schaft sagt Unterrichtsminister Spuller in seiner Ansprache: 
„Ihr Unterricht soll die Heranbildung von Republikanern anstreben. 
von Männern, welche unfähig sind, sich vor Götzen zu erniedrigen. Ihr 
wäret nicht würdig eurer Bäter von 1789 und 1848, wenn ihr euch unter 
die Räder des Wagens würfet, der den Triumphator von einer Stunde 
trägt, jetzt, wo es Frankreich und das Vaterland ist, dem ihr alle eure 
Huldigungen schuldet. Alles für Frankreich, nichts für Götzen! Es lebe die 
Republik!“ (Anhaltender Beifall.) 
11.—13. Juli. (Angriff auf das Ministerium.) Kammer: 
Die äußerste Linke interpelliert die Regierung wegen angeblicher 
monarchisch--klerikaler Umtriebe. Die Interpellation gibt die Ver- 
anlassung zu stürmischen Auftritten und zur Demission des Kam- 
merpräsidenten Floquet. 
Tony Revillon verliest Zeitungsartikel aus Blättern der Rechten, 
welche diese als Schiedsrichter der Lage darstellen; der Graf von Paris und 
der Papst hätten der Rechten ihre Billigung ausgesprochen. Die Regierung 
dürfe unter solchen Umständen nicht über den Parteien stehen, sonst wisse 
das Land nicht, woran es sei: „Wenn das Land nicht von der Regierung 
erhält, was es erwartet, wird es dasselbe von einem Manne allein (Boulanger) 
verlangen. Gewinnen sie das Land durch Reformen, welche die Rechte nicht 
annehmen kann, dann allein werden sie die Einigkeit der Republikaner wieder 
haben.“" (Beifall und Unruhe.) 
Ministerpräsident Rouvier: Eine große Anzahl Republikaner hätte 
sch geweigert, der Nezierung beizutreten, die Regierung habe aber doch nieman- 
en ausgeschlossen. Man feindete die Regierung nicht wegen deren Programm 
an, danach frage man sie gar nicht, sondern wegen der Abwesenheit eines 
Mannes. (Cbhafter Beifall.) „Offen und laut sage ich es: Ich habe das 
Ministerium gebildet nach eigenem Ermessen, und wenn ich auf die Mit- 
wirkung des gewesenen Kriegsministers verzichtete, so war es, weil sein Name 
mit einer illegalen Demonstration verbunden worden war, indem er bei den 
letzten Wahlen, obwohl unwählbar, mit 30,000 Stimmen figurierte. (Wie- 
derholter Beifall im Zentrum und Lärm links.) Ich lasse die Person des 
Generals außer Spiel, aber nachdem ihn das Unglück traf, daß sein Name 
zu der illegalen Demonstration mißbraucht wurde, mußte er aus dem poli- 
tischen Kreise entfernt werden, in welchem er sich befand. Aus diesem 
Grunde haben Sie von der Linken uns interpelliert, und deshalb stehen wir 
Europ. Geschichtskalender. XXVIII. Bd. 22
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.