338 Kra#kreich. (Juli 11.—13.)
heute vor ihnen. (Wütende Ausrufe links.) Wir haben aus eigener Ver-
antwortung gehandelt, und wenn der Präsident der Republik gezögert hätte,
so würden wir doch gethan haben, was wir thun mußten, wenn wir regieren
wollen mit der repuhlikanischen Partei. Ich habe die Vertrauensfrage ge-
stellt, sie waren 180 gegen uns — vorzügliche Republikaner, das gebe ich
zu — (Rufe links: Mercil) Aber sie erheben den Anspruch, zu regieren,
obwohl sie in der Minorität sind! Wir find eine republikanische Regierung,
keine Regierung des Kampfes, weder gegen die Linke, noch gegen die Rechte.
(Ironische Ausrufe links.) Das Land will Ruhe. Sie aber treten vor das
Land und sagen, die Regierung müsse eine Regierung der Verfolgung sein.
(Stürmische Rufe links! Wer sagte solches?!) Wenn wir also sagen, daß
wir mit Leidenschaft der Republik dienen, aber mit Mäßigung und Festigkeit,
warum protestieren sie: Sie können der Regierung das Vertrauen versagen,
sie können dieselbe beschuldigen, wessen sie wollen, nur nicht des Mangels
an Ergebenheit für die Republik und die Freiheit. (Wiederholter Beifall
im Zentrum.)
Pelletan (äußerste Linke) erwidert, wird aber durch stürmische
Zwischenrufe so oft unterbrochen, daß er die Tribüne verlassen will, endlich
vermag der Präsident die Ruhe herzustellen. Lacroix (äuß. Linke) erklärt
die Entfernung Boulangers für nötig, fordert aber bestimmte Absage der
Regierung an die Rechte und deren gemäßigte Freunde.
Clémenceau (radikal) tadelt die Kundgebungen zu Gunsten Bou-
langers, nennt in einer heftigen, fortwährend durch Tumult unterbrochenen
Rede die Rechte einer monarchisch-revolutionäre Partei und schreit gegen
die Minister gewendet: „Wenden Sie sich von der Rechten ab!“ 2 Pfiffe
ertönen im Saale, es folgt ein beftiger Wortwechsel zwischen ihm und
Rouvier. Clémenceau schließt: Man befreie uns von der Herrschaft des
Privilegiums des Papstes und die Republik wird die Besiegerin der
Monarchie sein.
Als Rouvier erwidert: Auf Clémenceaus beleidigende Frage, ob
nach den Ferien noch die Regierung republikanisch sein werde, antworte er
nicht, steigt der Lärm. Laisant (äußerste Linke) ruft unter furchtbarem
Tumult: Die Regierung sei unter einer Pression von außen entstanden!
Rouvier: Die Regierung hat das Recht, gegen Schmähungen solcher Art
geschützt zu werden. Kammerpräsident Floquet (sehr feierlich): Ich möchte
denjenigen sehen, der inmitten des unaufhörlichen Tumultes besser im stande
wäre, als ich es war, die Ordnung aufrechtzuerhalten, der es vermocht hätte,
die Worte des Herrn Laisant zu rügen, ehe sie noch die legitime, aber heftige
Antwort des Konseils-Präfidenten gefunden haben. Die Kammer wird einen
solchen Mann zu suchen Gelegenheit haben. (Rufe: Warum denn?) Prä-
sident (wiederholend): Die Kammer wird sich diesen Mann suchen (tiefe
Stille), aber so lange ich die Macht ausübe, sage ich: Ich kann nicht zu-
geben, daß in der Kammer ausgesprochen werde, eine französische Regierung
sei unter einer Pression von außen entstanden, das ist ein Gedanke, den jeder
französische Bürger verabscheut. (Wiederholter stürmischer Beifall fast im
ganzen ause) Ich füge noch hinzu, daß ich persönliche Gründe hatte, einen
solchen Verdacht zurückzuweisen. (Neuer Beifall.)
Die Regierung verlangt die einfache Tagesordnung; dieselbe
wird mit 382 gegen 120 Stimmen angenommen.
Floquet zeigt der Kammer am folgenden Tage schriftlich
seinen Rücktritt vom Präsidium an, das Haus entscheidet sich, ohne
daß jemand dagegen stimmt, mit 486 Stimmen für Nichtannahme