Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dritter Jahrgang. 1887. (28)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 11.—14.) 25 
stinkten folge; ich würde immer annehmen, was von jedem französischen 
Offizier voraussetze — und auch von jedem deutschen natürlich —, daß er 
glaubte, auf diese Weise seinem Vaterlande besser zu dienen, als wenn er es 
unterließe. Ich würde ihm persönlich einen Vorwurf nicht machen. Aber 
das kann uns nicht abhalten, uns auch für den Fall einzurichten, daß Frank- 
reich uns nicht überlegen zu sein glaubt, aber doch die Chance ausnutzen 
will, ob eine Regierung sich nicht durch einen Krieg noch halten kann, wenn 
sie durch den Frieden nicht haltbar wäre. Napoleon hat das gemacht; warum 
sollte es sein Nachfolger nicht machen, wenn wir uns eine Militärdiktatur in 
Frankreich als möglich denken — und sie ist so oft dagewesen — warum 
sollte es nicht sein? 
Nachdem ich einmal das Wort genommen habe, möchte ich dem Herrn 
Vorredner noch auf eine Frage erwidern, die er sich nicht angeeignet hat, 
aber die er doch wiederum gestellt hat: warum eigentlich das Ende des 
Septennats nicht abgewartet werde. Nun, es ist ja das eigentliche Septennat 
an sich doch mit der Augmentation, die wir haben wollen, nur eine Berech- 
nung auf eine Zukunft, die wir möglichst fern wünschen, der gegenüber wir 
aber gewappnet sein müssen. Aber eins glauben wir gleich vom 1. April 
1887 in Aussicht nehmen zu sollen: das ist die Verstärkung unserer Grenz- 
bewachungen, die stärkere Besetzung der Vogesen-, Jura- und anderer Pässe 
und namentlich auch der Schwarzwaldpässe gegen den möglichen Einbruch 
über das, was wir die trouée de Belfort nennen. Diese Verstärkung schon 
vom 1. April dieses Jahres ab in Wirksamkeit treten lassen, das können 
wir budgetmäßig nicht, wenn wir nicht Ihre Bewilligung haben; die Mittel 
dafür, um so viel mehr Urlauber, Dispositionsurlauber heranzuziehen, haben 
wir nicht. Wenn durch eine Auflösung, die dazwischen träte, die Zeit ver- 
gehen sollte, so würde die Regierung vielleicht sich genötigt sehen, von den 
Möglichkeiten, die ihr das Militärgesetz bietet, momentan, weil sie fürchtet, 
die Kriegsgefahr zu verstärken, Gebrauch zu machen, und nachher die Indem- 
nität dafür zu fordern haben. Ich habe vorher schon gesagt, der Ausbruch 
des Krieges kann zehn Jahre dauern, er kann aber auch in zehn Tagen ein- 
treten. Wenn er nun in zehn Wochen eintritt, dann müßten wir schon die 
40 000 Mann zur Verfügung haben, und selbst wenn wir uns mit diesem 
Reichstage über das, was wir für unentbehrlich halten für die Sicherheit 
Deutschlands, nicht einigen sollten, würden wir doch gewisse Vorkehrungen 
schon treffen müssen, wenn gegen unsere Überzeugung das gegenwärtige fried- 
lich gesinnte Ministerium in Frankreich früher abtreten sollte, als wir wünschen. 
Wir wünschen ihm eine möglichst lange Dauer, weil wir glauben, daß, so 
lange dies Ministerium dauert, wir Friedensstörungen nicht zu befürchten 
haben. Sie können mir darauf vielleicht mit einigem Recht erwidern, wenn 
eine so wichtige Frage vorliegt, wo die Sicherheit des Reichs auf dem Spiele 
steht, dann hätte man die Bevölkerung schon früher darauf vorbereiten müssen, 
vielleicht schon vor zwei Jahren bei den Wahlen. Wir hatten aber immer 
noch die Hoffnung, daß es uns gelingen würde, die Stimmung in Frankreich 
zu besänftigen; nachdem wir indes 16 Jahre uns vergeblich bemüht haben, 
die Revancheideen zu beruhigen, und abgewartet haben, ob nicht endlich eine 
Regierung sich fände, die den Mut und die Kraft habe, den status quo, wie 
er ist, als einen dauernden zu acceptieren, haben wir uns schließlich doch 
sagen müssen, daß es loves labor lost wäre, daß unsere Liebesbemühungen 
ganz umsonst gewesen sind. Wir haben uns schwer dazu entschlossen, und 
diese ganze Äußerung, die ich heute ausspreche, hätte ich lieber zurückge- 
halten; wenn sie nicht notwendig gewesen wäre, um die Zustimmung des 
Reichstags zu gewinnen, wäre es mir lieber gewesen. Ich weiß auch nicht, 
ob ich sie gewinnen werde. Sie hätten also vielleicht verlangen können, wir
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.