26 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 11.—14.)
hätten früher auflösen sollen, ad hoc für diese Frage, damit die Wähler in
der Lage seien, zu wissen bei den Neuwahlen: es dandelt sich darum, ob die
Sicherung gegen auswärtige Angriffe verstärkt werden soll oder ob sie nur
die gegenwärtige unzulängliche bleiben soll. Es ist ganz richtig, man muß
für eine so wichtige Frage eigentlich vorher auflösen und die Neuwahlen ad
hoc veranlassen. Wir sind überhaupt viel zu ängstlich in Bezug auf die
Auflösungen. In England löst man jeden Donnerstag ein Parlament auf,
wenn man glaubt, mit dem Nachfolger sich leichter verständigen zu können
als mit dem gegenwärtigen. Darauf bin ich jedoch nicht gekommen.
rechne auf gemeinsame Arbeit, nicht auf Parteieinflüsse. Unterblieben ist
die Auflösung hauptsächlich deshalb, weil wir gar nicht darauf gefaßt waren,
daß diese mäßigen Forderungen für die Verstärkung der Wehrkraft überhaupt
auf Widerstand stoßen würden. Hätten wir das vorher mit einiger Sicher-
heit wissen können, so hätten wir allerdings mehr Zeit gewonnen, wenn wir
uns in einer kaiserlichen Proklamation an das Volk gewendet hätten, auf
die Bedenken der militärischen Autoritäten darin aufmerksam gemacht und
den Wähler klar vor die Frage gestellt hätten: wollt ihr, daß Deutschland
stärker geschützt werde, als es bisher gewesen ist, oder wollt ihr es nicht?
Das ist nicht geschehen. Es wird aber unzweifelhaft geschehen müssen, wenn
Sie uns nicht in den Stand setzen, diesen Schutz zu verwirklichen.“ (Bravo!l
rechts.
Windthorst (3.) erklärt nach der Drohung des Reichskanzlers mit
der Auflösung eigentlich nur des Volkes wegen noch zu sprechen. Er habe
der militärischen Autorität genugsam durch die proponierte Bewilligung jedes
Mannes und jedes Groschens Rechnung getragen, nach den politischen Aus-
führungen des Reichskanzlers wäre dazu eigentlich keine Nötigung vorhanden.
..... „Dann hat der Herr Reichskanzler gemeint — der Seiten-
hieb war ja begreiflich - daß Hannover hergestellt werden könnte, wenn
die Franzosen siegten und es verlangten. Meine Herren! wenn das heißen
soll, daß irgend ein Hannoveraner eristiert, der mit Hilfe des Auslands
eine Wiederherstellung der Selbständigkeit seines Landes begehrte, so sage
ich ihm, daß mir kein solcher Hannoveraner bekannt ist. (Bravo! im Zen-
trum.) — Der Herr Reichskanzler macht eine Bemerkung dazu, die ich leider
nicht gehört habe. (Reichskanzler Fürst von Bismarck: König Georg V.
wünschte es!) — Der ist tot, zu meinem großen Bedauern. Ich erkläre,
daß ich der Ansicht bin, daß, so heiß die Wünsche Hannovers für die Her-
stellung sein mögen, aus den Händen eines Fremden die Selbständigkeit
nicht acceptiert wird. (Bravo!) Wir sind der Hoffnung — vielleicht er-
leben wir es nicht, das kann ich nicht sagen, — daß es einen Moment geben
wird, wo im Gerechtigkeitssinn die deutschen Fürsten und Völker selbst die
Herstellung verlangen. Eine andere Herstellung verlange ich nicht. Ich höre
wohl, daß die Herren da lachen; ich weiß auch sehr gut, warum sie lachen,
habe das Lachen auch erwartet, aber durch ihr Lachen werden sie den Gang
der göttlichen Gerechtigkeit niemals hemmen!.... Meine
Herren, nun frage ich mich: wozu diese langen Deduktionen des Herrn
Reichskanzlers, die da nachweisen sollen, daß wir die Verstärkung des Heeres
notwendig haben? Die große, erdrückende Majorität des Reichstags ist bereit,
die volle Forderung zu genehmigen. Das liegt in dem Antrag, den die
Zentrumsfraktion gestellt hat, für den sie einmütig eintritt; das liegt in
dem eventuellen Antrag des Herrn von Stauffenberg, der, wenn der Haupt-
antrag, den er gestellt hat, abgelehnt wird, genau dasselbe thut, was wir
thun wollen — es braucht nur noch der Satz von ein zu drei Jahren ge-
macht zu werden — und ich erkläre meinesteils, daß in dem Momente, wo
unser Antrag abgelehnt wird, wir einmütig den Antrag Stauffenberg accep-