Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dritter Jahrgang. 1887. (28)

32 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 11.—14.) 
land durch ungeschickte Gesetzgebung der Regierung einer immer fortschreiten- 
den Verarmung entgegengeführt werde? Das ist eine Entstellung, eine dreiste 
Lüge; sie wird durch diese ziffermäßigen Angaben auf das klarste entkräftet. 
Der Herr Abgeordnete hat ferner sich gewundert, warum wir an den 
sieben Jahren festhalten. Ja ich habe ganz klar gesagt: wir wollen keine 
Häufung der Krisen. Es wäre vielleicht noch nützlicher, wenn wir einen 
längeren Termin gewählt hätten. (Zuruf: Aternat!) — Auf ein Aternat 
würde ich nie eingegangen sein, weil das Aternat dem Kaiser in seinem Ein- 
flusse auf die Armee eine viel zu starre Grenze setzt. — Es wird die Armee 
wahrscheinlich, so lange die anderen Mächte fortschreiten, fortschreiten müssen; 
die Bevölkerung schreitet ja auch fort. Wir haben einen längeren Termin 
nicht gewollt aus Achtung vor der Bestimmung der Verfassung im Art. 60, 
der einen Einfluß, wie der Herr Abgeordnete sich ausdrückt, des Reichstags 
auf diese Angelegenheiten wünscht; nur darf der Einfluß nicht darin be- 
stehen, wie er sagte, auf Reduktionen zu drängen. Er sagte, sie würden auf 
Reduktion nur drängen, wenn ein Mehr nicht nötig wäre. Aber das ist 
ja eine petitio principii, denn das Urteil, ob ein Mehr nötig ist, legen Sie 
ja den Drängern bei. Sie wollen uns also, wenn Sie glauben — unge- 
achtet der gegenteiligen Überzeugung der Regierung —, daß weniger nötig 
sei, zwingen, die Armee zu reduzieren. Dazu werden sich die Regierungen, 
denen die Sicherheit des Vaterlandes zu sehr am Herzen liegt, niemals her- 
geben. Sie werden sich niemals von Ihnen reduzieren lassen. Das Sep- 
tennat also halten wir fest, um den Anlaß zu Krisen nicht zu häufen. Ich 
sagte vorher: Sind Sie, meine Herren, denn so lüstern nach Krisen, wollen 
Sie diese alle Jahre haben, — nun, so lange ich lebe, kommen Sie heran! 
Sie werden einen Fels im Meere finden bei allen Ihren Krisen! 
Der Herr Abgeordnete hat ferner gesagt, es sei eine unberechtigte 
Andeutung, die ich gemacht hätte in Bezug auf die Möglichkeit der gesetz- 
mäßigen Herstellung des welfischen Königreiches. Es ist hier in diesen Räu- 
men gesagt: eine Wiederherstellung des Welfenreichs ist nur auf gesetzmäßigem 
Wege zu erstreben. Ein anderes Mittel, das gesetzmäßig zu erreichen, als 
das von mir angedeutete, sehe ich aber kaum, und daß Herr Windthorst den 
Gedanken daran so weit von sich weist, es als eine Art Beleidigung be- 
trachtet, wenn man sagt, dabei werde auf französischen Beistand gerechnet, 
so steht doch die Erinnerung entgegen, die uns allen lebendig sein wird, die 
Erinnerung an die welfische Legion innerhalb Frankreichs. Die hat ja, wie 
ich glaube, Jahr und Tag dort garnisoniert, wartend auf den Moment, wo 
Napoleon auf Deutschland losschlagen würde, um in seinem Gefolge auf 
die deutschen Brüder loszuhauen; und das ist nicht etwa eine rein zufällige 
Erscheinung. In authentischen Briefen von König Georg, die wir vorge- 
lesen haben, ist ausdrücklich geschrieben, daß er koste durch Kaiser Napo- 
leon in sein Reich wieder eingesetzt zu werden. (Hört, hört! rechts.) Also 
seien Sie nicht so empfindlich. Es ist Ihnen nicht angenehm, aber die Leute 
leben noch meist alle, die das alles mitgemacht haben. Haben die ihre Ge- 
sinnungen seitdem vollständig geändert? Ein Zeugnis haben sie uns gegen- 
über noch nicht abgelegt, wir sehen sie uns gegenüber in derselben Zurück- 
haltung sie folgen dem Führer der Opposition, dem Abgeordneten Windt- 
horst, in allen seinen Angriffen auf die Reichsregierung zu keinem anderen 
Zwecke, als um uns die Existenz sauer zu machen; unmöglich können sie 
doch dabei eine andere Absicht haben. Ich glaube, ich kam schon darauf, 
daß der Abgeordnete wiederholt die französische Armee unterschätzt und ge- 
glaubt hat, er könnte sie leicht schlagen; ich möchte vor dieser Unterschätzung 
doch außerordentlich warnen. Es zeigt die volle Unerfahrenheit des Zivilisten 
in militärischen Dingen, wenn man glaubt, daß die französische Armee ein 
  
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.