Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 11.—14.) 33
Gegner sei, über den man so leicht zur Tagesordnung überzehen könnte mit
ein paar Redensarten. Ich habe schon vorhin gesagt, wenn Worte Soldaten
wären — in der Beredsamkeit ist der Herr Vorredner jedem Franzosen
überlegen; aber in Beziehung auf militärische Leistungsfähigkeit glaube ich
es nicht. Ich habe in Frankreich gelebt und kenne die Franzosen ziemlich
genau; ich wünsche nur, daß wir ihnen so ebenbürtig bleiben. In manchen
Beziehungen sind wir überlegen, in der Zahl sind uns aber überlegen;
Sie unterschätzen ihre militärische Qualifikation. Aber der Abgeordnete Windt-
borst glaubt ja auch hier den Leuten, die gegen die Franzosen gefochten ha-
ben, überlegen zu sein in seinem Urteil.
Er hat ferner damit begonnen, daß er sagte: endlich sind uns Mit-
teilungen gemacht. Nun, wo hätte ich die Mitteilungen machen sollen? Der
ersten Beratung beizuwohnen, wenn noch zwei bevorstehen, ist mit meinem
Alter und Gesundheitszustand nicht immer verträglich. Auf Verhandlungen
in der Kommission aber in wichtigen Fragen mich einzulassen, halte ich für
taktisch nicht angezeigt. Die Kommission ist ja doch nur die Marterkammer
für die Regierungskommissarien, in der versucht wird, was man ihnen ab-
pressen kann, ohne sich seinerseits zu irgend etwas zu verpflichten. Die Kom-
mission ist gar nicht im stande, ein zweiseitiges Geschäft abzuschließen mit
den Vertretern der Regierung, und dazu bin ich ein zu alter Diplomat, um
mit jemandem, der keine Vollmacht hat, mich in Verhandlungen einzulassen.
Alles, was ich gesagt habe, steht bombenfest. Aber alles, was die Herren
in der Kommission sagen, die Versicherungen, die sie geben über die Geneigt-
heit, jeden Pfennig und jeden Mann zu bewilligen, können mir nachher gar
nichts mehr helfen; das verschwindet alles im Plenum, daran ist niemand
gebunden. Darum ist die Kommission ein so ungünstiger Kampfplatz für
die verbündeten Regierungen. Da, wo wirklich ernsthafte, schwere, und, ich
möchte sagen, Interessen, die an Kopf und Kragen gehen, zu verhandeln
sind, da werde ich mich auf Kommissionsverhandlungen niemals einlassen.
Es ist von Ihnen eine Ungerechtigkeit, daß Sie uns erst einmal, wie man
das im Handel und Wandel, ich möchte sagen, im Pferdehandel versucht,
jemanden, dessen Äußerungen zu nichts verpflichten, auf den Leib schicken,
um von uns herauszupressen, was Sie irgend herauspressen können und dann
nachher sagen: alles, was wir gesagt haben, gilt nichts mehr, wir schließen
uns dieser oder jener Äußerung an. Ihre Geschäftsordnung erlaubt Ihnen
das, aber Ihre Geschäftsordnung hat für uns gar keine Verbindlichkeit, we-
nigstens glaube ich durch mein früheres Verhalten auch schon gezeigt zu
haben, daß ich mich in ernsten Fragen auf Kommissionsverhandlungen nicht
einlasse. Ich habe in der Kolonialsache einmal eine Ausnahme gemacht;
„exceptio firmat regulam“. In der Kommission, wo sich ein bündiges
Abkommen in keiner Weise erreichen läßt, erscheine ich nicht; ich bin zu alt
und zu matt, um dort meine Kräfte nutzlos zu vergeuden.“ (Lebhaftes
Bravo rechts.)
Nachdem am 2. Sitzungstage v. Helldorf (k.) für die Regierungs-
vorlage eingetreten ist, Hasenclever (S.) gegen dieselbe gesprochen und der
Kriegsminister die Darstellungen v. Stauffenbergs und Windthorsts über
den Verlauf der Kommissionssitzung berichtigt hat, spricht Windthorst (Z.)
über seine persönliche Stellung zu den übrigen Oppositionsführern, indem
er die von gegnerischer Seite behauptete Einheit der gesamten Opposition
bestreitet, wendet sich dann gegen die Ausführungen Bismarcks über Han-
nover und das Welfentum und begründet nochmals die Ablehnung der 7
Jahre und die Zustimmung des Zentrums zu einer Bewilligung der.erhöhten
Präsenzziffer auf 3 Jahre.
Fürst Bismarck antwortet: „Der Herr Vorredner sagt: „Ich be-
Europ. Geschichtskalender. XXVIII. Bd. 3