Die Tũtkei. (Juni 23. —Juli Ende.) 45
St
länder die Türkei allein zu militärischem Einschreiten in Agypten
befugt sein soll. England lehnt diese Anderung ab.
Am 19. überreicht der französische Botschafter Graf Montebello dem
Sultan ein Memorandum, welches die endgültige Ablehnung der Konvention
seitens Frankreichs enthält. Geschehe die Ratifikation, so werde Frankreich
seine Aufmerksamkeit dem Schutze seiner Interessen widmen und alle Maß-=
nahmen ergreifen, die durch die Schädigung derselben im Mittelmeere nötig
würden, andern Falles werde es den Sultan gegen alle aus der Verweige-
rung der Ratifikation erwachsenden Folgen schützen und wahren, welcher Art
dieselben auch wären.
Die am gleichen Tage vom russischen Botschafter Nelidow über-
reichte Note soll sogar eine Kriegsdrohung für den Fall der Ratifikation
des Abkommens enthalten haben. Diese Nachricht wird jedoch vom Journal
de St. Pétersburg als unrichtig bezeichnet.
Es wird dem Sultan ein Aufschub der Ratifikationsfrist bis
zum 4. Juli gewährt. Der französische und ruffische Botschafter
wiederholen ihre dringenden Abmahnungen. Nachdem auch Lord
Salisbury dem türkischen Botschafter in London eindringliche Vor-
stellungen gemacht, wird der Sultan wieder schwankend, es heißt,
er werde doch unterzeichnen. Er verlangt aber einen neuen Auf-
schub. Dieser wird von England verweigert. Sir Drummond
Wolff erklärt, seinen Aufenthalt bis zum 10., dann bis zum 15. Juli
verlängern zu wollen. Nachdem die Ratifikation auch dann nicht
erfolgt ist, reist er am 15. abends von Konstantinopel ab.
Den hierauf erfolgten türkischen Vorschlag, auf neuer Grund-
lage Verhandlungen einzuleiten, lehnt England ab.
23. Juni. (Deutschland und die bulgarische Für-
ste nwahl.) Die „Turquie“ bringt in Erwiderung eines Artikels
des Temps, welcher von einer angeblichen Schwankung Deutschlands
in der Frage der bulgarischen Thronkandidatur berichtet hatte, fol-
gende offiziöse Berichtigung: .
„Einige Organe der Lokalpresse haben nach einem Pariser Journal
berichtet, daß Deurschland, nachdem es in Beantwortung des Zirkulärs der
Hohen Pforte über die bulgarischen Angelegenheiten der kaiserlichen Regie-
rung eine Verständigung mit Rußland angeraten hatte, um dem unregel-
mäßigen Zustande in Bulgarien ein Ende zu machen, infolge der erhaltenen
Information, daß Rußland keineswegs geneigt sei, von dem seit Anbeginn
beobachteten Verhalten abzuweichen, daß Deutschland, sagen wir, der Hohen
Pforte folgende Mitteilung gemacht habe: „Nachdem Rußland bei seinem
Beschlusse, keinen Kandidaten für das Fürstentum Bulgarien zu bezeichnen,
beharrt, möge die Pforte den Mächten einen Kandidaten vorschlagen.“ Aus
unseren besonderen Informationen ergibt sich, daß der Hohen Pforte eine
derartige Mitteilung von Seite Deutschlands nicht gemacht worden ist."
Anf.—Ende Juli. (Kreta.) Da die Bewegung auf der
Insel fortgesetzt in bedrohlicher Weise zunimmt, die christliche Be-