514 Mebersicht der pvolitischen Eutwichelung des Jahres 1887.
vornehmlich ein gewisses Interesse der Dynastie, nicht ein zu enges
Bündnis mit einem revolutionären Staat wie Frankreich einzugehen
und den stärksten Hort des Monarchismus in Europa, das deutsche
Reich zu zerstören. In Frankreich ist es die politische Besonnenheit,
welche den Revanchekrieg, den sie vielleicht prinzipiell nicht verwirft,
doch nicht führen will unter der Agide des Radikalismus und ohne
die genügenden Chancen des Erfolges.
Hier nun setzte die Staatskunst des deutschen Reichskanzlers
ein, um Europa und Deutschland so lange als irgend möglich doch
noch den Frieden zu erhalten. Das ganze Jahr 1887 ist von un-
ablässiger Arbeit für dieses erhabene Ziel erfüllt.
Zuerst war dazu nötig, die militärischen Kräfte Deutschlands
aufs höchste zu entwickeln. Die Regierung brachte daher die soge-
nannte Septennats-Vorlage ein, durch welche die Armee um 41000
Mann, von 427000 auf 468409 Mann Friedenspräsenz vermehrt
wurde. Als die deutschfreifinnig-kleriale Majorität des Reichs-
tages zwar nicht die momentane Vermehrung, aber doch die sieben-
jährige Festlegung verweigerte, wurde der Reichstag aufgelöst und
der glänzende Sieg, den die Regierung in dem nunmehr entbrennen-
den Wahlkampf erfocht, die Art und Weise, wie alle patriotischen
Elemente sich um die Regierung schaarten, die Einmütigkeit, die
in aller Leidenschaftlichkeit des Wahlkampfes doch wieder darin zu
Tage kam, daß auch die Oppofitionsparteien nichts höher und hei-
liger versicherten, als daß auch sie allen spezifisch militärischen An-
forderungen sich nicht widersetzen wollten — alles das machte auf
die europäische Kriegspartei vielleicht einen noch größern Eindruck,
als die Verstärkung der Armee selbst.
Sobald das Septennat von dem neuen Reichstag bewilligt
war, brachte die Regierung einen Nachtrags-Etat ein (vgl. 5. Mai),
welcher neue außerordentliche Mittel zur Herstellung strategischer
Bahnen, zum Umbau und Ausbau von Festungen, entsprechend
den neuesten Fortschritten der Artillerie und „zur Steigerung der
Operations= und Schlagfähigkeit des Heeres“ verlangte. Einge-
schlossen die in späteren Jahren zur Verwendung gelangenden Raten,
welche, wenn auch noch nicht formell, doch thatsächlich mit der ersten
Bewilligung mitbewilligt wurden, erreichte die Höhe der Gesamt-