Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 6.) 147
Am selben Tage findet in Dortmund eine von etwa 4000
Bergarbeitern besuchte Versammlung statt. Während dieser läuft
eine Depesche ein vom Oberpräsidenten Studt, sowie von dem Land-
rat von Dortmund, lautend: „Die Vertretungen der Essener Zechen
haben die Sperre aufgehoben. Der Vereinsvorstand beschloß ein-
stimmig, die übrigen Zechen zu einem gleichen Entschluß aufzu-
fordern, und zweifelt nicht an der Annahme". Diese Depesche wird
von der Bergarbeiterversammlung mit einem lebhaften Bravo auf-
genommen. Nach einer weiteren Debatte beschließt die Versamm-
lung, bis zum 15. Dezember die Antwort der Grubenbesitzer, ob
überall die Sperre aufgehoben ist, abzuwarten. Später wird ein
Kontrolausschuß gewählt, welcher zu überwachen habe, ob die Sperre
in Wirklichkeit ausgehoben und ob eventuell später eine Versamm-
lung zu einer weiteren Beschlußfassung einzuberufen sei.
6. Dezember. (Dritte Lesung der Banknovelle.) Das
Privilegium der bestehenden Reichsbank wird auf 10 Jahre ver-
längert mit folgender Modifikation:
„Aus dem beim Jahresabschlusse sich ergebenden Reingewinn der
Reichsbank wird:
1. zunächst den Anteilseignern eine ordentliche Dividende von 3 und
½/ % des Grundkapitals berechnet, sodann
2. von dem Mehrbetrage eine Quote von 20% dem Reservefonds
zugeschrieben, so lange derselbe nicht ein Viertel des Grundkapitals beträgt.
3. der alsdann verbleibende Ueberrest zur Hälfte an die Anteilseigner
und zur Hälfte an die Reichskasse gezahlt, soweit die Gesamtdividende der
Anteilseigner nicht 6% übersteigt. Von dem weiter verbleibenden Reste
erhalten die Anteilseigner ein Viertel, die Reichskasse drei Viertel.
Erreicht der Reingewinn nicht volle drei und ein halb Prozent des
Grundkapitals, so ist das Fehlende aus dem Reservefonds zu ergänzen. Das
bei Begebung von Anteilsscheinen der Reichsbank etwa zu gewinnende Auf-
geld fließt dem Reservefonds zu. Dividendenrückstände verjähren binnen vier
Jahren, von dem Tage ihrer Fälligkeit an gerechnet, zum Vorteil der Bank.
Art. 2. Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1891 in Kraft.“
Nachdem in der zweiten Lesung (3. Dezember) Abg. v. Huene
einen Antrag eingebracht,
„wonach die Restüberschüsse an die Anteilseigner und die Reichskasse
halbschichtig zu verteilen sind, soweit die Gesamtdividende der Anteilseigner
nicht 5 Proz. (nach der Vorlage 6) übersteigt,“
und dieser Antrag abgelehnt worden, wird er bei der 3. Lesung
vom Abg. Graf Mirbach wieder ausgenommen und diesmal in
namentlicher Abstimmung mit 126 gegen 98 Stimmen abgelehnt,
während in der zweiten Beratung die Ablehnung mit 110 gegen
94 Stimmen erfolgt war.
Darauf wird die Regierungsvorlage unverändert genehmigt.
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