Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfter Jahrgang. 1889. (30)

Das dentsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 12.) 151 
der Anregung des Spiellasters, namentlich einige deutschfreisinnige Blätter. 
Im Magistrat war es nur mit einer Stimme Majorität gutgeheißen. Einige 
Zeit vorher war eine Aeußerung des Kaisers bekannt geworden, daß er 
anhe das Denkmal Kaiser Wilhelms I. an dieser Stelle aufsgestellt 
zu sehen. 
12. Dezember. (Ein Bergarbeiter-Streik) bricht im fis- 
kalischen Saargebiet aus. 
Der Bewegung liegt die Forderung einer neunstündigen Schicht an 
Stelle der bisherigen zehnstündigen zu Grunde, sodann die Einführung eines 
garantierten Mindestlohnes von 4.4 für Mittelkraft, d. h. für einen mittel- 
schichtigen Hauer. Für die Schlepper wird entsprechend weniger gefordert. 
Es wird verlangt, die Gewährung des Mindestlohnes von 444 und der 
neunstündigen Schicht in die Arbeitsordnung einzutragen. Außerdem wird 
die Wiederanlegung von etwa 40 abgelegten Arbeitern verlangt. Es wird 
behauptet, diese seien nur deshalb abgelegt, weil sie Mitglieder des zur Ver- 
tretung der Interessen der Bergleute gebildeten Rechtsschutzvereins seien. 
Am 13. richtet der Berghauptmann Brassert an die Berginspektionen 
I—X einen Erlaß, in welchem er ausführt, daß die verkürzte Schichtdauer, 
welche auf keiner Grube gegenwärtig länger als 9 Stunden dauere, in die 
Arbeitsordnung aufgenommen werde und zwar in der Weise, daß die Schicht 
in der Grube ausschließlich der für Einfahrt und Ausfahrt der Gesamt- 
belegschaft erforderlichen Zeit nicht länger als 8 Stunden dauern soll. Die 
gegenwärtig verdienten Löhne seien im allgemeinen ausreichend; soweit dies 
nicht der Fall, werde eine entsprechende Aufbesserung erfolgen. Dagegen sei 
eine vollständige Gleichstellung der Löhne der einzelnen Arbeiter ohne Rück- 
sicht auf die Leistungen derselben selbstverständlich unausführbar. 
Der Erlaß schließt mit der Erwartung, daß die Bergleute, welche 
nicht streiken, auch ferner weiter arbeiten werden, und daß die streikenden 
Bergleute „in ihrem eigensten Interesse“ ohne Verzug die Arbeit wieder 
aufnehmen. Endlich weist Berghauptmann Brassert auf die von den Polizei- 
behörden veröffentlichte Bekanntmachung hin, nach welcher die öffentliche 
Aufforderung zur Niederlegung der Arbeit ohne Einhaltung der gesetzlichen 
Kündigungsfrist nach § 110 des ““ mit Geldstrafe bis zu 
600 “ oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren geahndet wird. 
Infolge des Erlasses des Berghauptmanns nimmt ein Teil 
der Streikenden die Arbeit wieder auf. Doch erst am 22. ist der 
Ausstand definitiv beendigt, indem eine Versammlung im Schnap- 
pacher Walde beschließt, die Arbeit wieder aufzunehmen und bis 
zum 1. Februar k. J. die Erledigung der Wünsche der Arbeiter 
abzuwarten. 
Infolge des Streiks mußte das königl. Bergamt zu Saarbrücken bei 
Kohlenbestellungen pro erstes Semester 1890 ein Drittel des gewünschten 
Quantums streichen. 
12. Dezember. (Antrag Huene betreffend die Wehrpflicht 
der Geistlichen.) Er lautet: 
Einziger Paragraph. Militärpflichtige, welche sich dem Studium der 
Theologie einer mit Korporationsrechten innerhalb des Gebietes des deutschen 
Reichs bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft widmen, werden in Frie- 
denszeiten auf ihren Antrag während der Dauer dieses Studiums bis zum 
1. April des siebenten Militärpflichtjahres zurückgestellt. Haben dieselben
	        
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