152 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 13.—30.)
zu dem vorbezeichneten Zeitpunkte auf Grund bestandener Prüfung die Auf-
nahme unter die Zahl der zum geistlichen Amt berechtigten Kandidaten er-
langt, bzw. die Subdiakonatsweihe empfangen, so werden diese Militär-
pflichtigen auf ihren Antrag der Ersatzreserve überwiesen und weiter von
Uebungen befreit.
Dagegen beantragt Abg. Delbrück (Reichsp.), den Gesetzent-
wurf wie folgt zu fassen:
Römisch-katholische Militärpflichtige, welche sich dem Studium der
Theologie widmen, werden in Friedenszeiten während der Dauer dieses Stu-
diums bis zum 1. April des siebenten Militärpflichtjahres zurückgestellt.
Haben dieselben bis zu dem vorbezeichneten Zeitpunkte die Subdiakonats-
weihe empfangen, so werden diese Militärpflichtigen der Ersatzreserve über-
wiesen und bleiben von Uebungen befreit.
Abg. v. Kleist-Retzow beantragt, die römisch-katholischen Theo-
logen für die nächsten zehn Jahre zu dispensieren und ferner eine
Resolution des Inhalts, daß der Reichskanzler ersucht werde,
herbeiführen zu wollen, daß Einjährig-Freiwillige, welche sich dem
Studium der Theologie einer mit Korporationsrechten innerhalb des deutschen
Reiches bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft widmen, in Friedens-
zeiten auf ihren Antrag nach halbjährigem Dienste mit der Waffe das zweite
Halbjahr als Lazaretgehilfen dienen.
Der Antrag von Huene wird angenommen.
Darauf folgt die Beratung des vom Abg. Windthorst ein-
gebrachten Antrages auf Aufhebung des Expatriierungs-
gesetzes. Auch dieses gelangt fast einstimmig zur Annahme.
Endlich wird ein dritter Antrag des Zentrums, der die von
der Reichsregierung angeordnete Scheidung der Missions-
gebiete nach Konfessionen in den Koloniallandschaften durch
Rezeption der Kongoakte beseitigen will, ebenfalls angenommen.
13. Dezember. (Der Befähigungsnachweis für Hand-
werker) wird im Reichstag angenommen.
An beiden Tagen war die Fraktion des Zentrums im Verhältnis
zu allen anderen ungewöhnlich stark vertreten.
30. Dezember. Urteilsfällung in einem großen Sozialisten-
Prozeß in Elberfeld.
Die Anklage lautet auf Geheimbündelei wesentlich zum Zweck der
Verbreitung des „Sozialdemokrat"., Von 87 Angeklagten werden 43, da-
runter die Abgeordneten Bebel, Grillenberger und Schuhmacher freigesprochen;
44 verurteilt zu Gefängnisstrafen von im Durchschnitt drei Monaten.