156 Die Gesterreichisch-Augarische Monarchie. (Januar—März.)
ein feindseliger Charakter gegen das Deutschtum beigelegt werde, indem er
seine Ueberzeugung aussprach, daß die Deutschen gegenwärtig die einzigen
und aufrichtigen Verbündeten und Freunde Ungarns seien. In Ungarn
existiere kein Haß gegen das Deutsche. Wer das Gegenteil behaupte, simu-
liere eine Krankeit, welche, wenn sie vorhanden wäre, beschämend wäre und
verheimlicht werden müßte. Die Freundschaft mit Deutschland sei alten
Ursprungs. Von Deutschland empfing Ungarn das Christentum, die Kultur
und das Städtewesen. Das höchste Gebilde des deutschen Geistes, der Pro-
testantismus, hat in Ungarn begeisterte Anhänger, einen fruchtbaren Boden
und eine Freistätte gefunden, wie sonst nirgends in Europa. Jene Politik,
welche Ungarn im Osten befolgen wolle, vermöge es nur mit der Hilfe und
der aufrichtigen Unterstützung der deutschen Nation durchzuführen. Diese
Stellen der Rede Jokays fanden lebhaften Beifall.
Die folgenden Tage bringen leidenschaftliche Oppofitionsreden
der Mitglieder der äußersten Linken, Graf Eugen Zichy, Graf Gabriel
und Stephan Karolyi.
Graf Eugen Zichy bekämpft lebhaft unter stellenweise stürmischer Zu-
stimmung der Linken den § 14, betreffend die Feststellung des Rekrutenkon-
tingents, wobei er verschiedene Aussprüche Deaks über das Wesen und Prin-
zip des Ausgleichs zitierte. Im Laufe seiner Rede erklärt Zichy, daß alle
in dieser „mosaikartigen Monarchie“ lebenden Rassen ihren verwandten
Stamm hätten, nur die Ungarn nicht; auf diese müsse der Thron sich stützen
und in dieselben das meiste Vertrauen setzen.
Graf Gabriel Karolyi behauptet,
das Wehrgesetz sei ein Tribut für Deutschland und alle ungarischen
Staatsmänner äfften so blindlings Bismarck nach, daß jeder seinen Herbert
haben müsse. Graf Stefan Karolyi behauptet, daß die Regierung ihre
Loyalität zur unrechten Zeit im Munde führe, wenn sie nämlich die un-
garische Verfassung in Fetzen reiße und diese an den Stufen des Thrones
niederlege, Tisza hält dem entgegen, daß die Opposition wohl loyal rede,
die Majorität aber lohal handle. Die Sitzung endete in großer Erregung.
Die Lärmszenen pflanzen sich selbst auf die Straße fort, wo
die Vertreter der Regierungs-Partei von den leidenschaftlich gegen
das Gesetz erregten Studenten insultiert werden.
Die maßlosen Angriffe gegen die Regierung bestimmen aber
die Vertreter der Linken, um so entschlossener den Sturz des Mi-
nisteriums Tisza zu verhindern; so geschieht es, daß am 29. Ja-
nuar das Wehrgesetz in der Generaldebatte mit 267 gegen 141
Stimmen angenommen wird.
Nachdem man in die Spezialberatung eingetreten, findet als-
bald § 14 (vgl. oben) die lebhafteste Opposition. Min.-Präs. Tisza
ist bemüht, die Bedenken gegen den Paragraphen zu zerstreuen.
Allein dies gelingt ihm erst, als er am 16. Februar sich entschließt,
folgende Einschiebung in den § 14 aufzunehmen:
„Das Rekrutenkontingent hat für 10 Jahre Gültigkeit, für die Land-
wehr wird das Rekrutenkontingent ebenfalls für die Dauer von 10 Jahren
festgesetzt."