Bie Gesterreichis-Ausmisehe Monarchie. (Oktober 2. Hälfte—30.) 177
In seiner Rede nennt er die Bedingungen, an welche die Deutschen
ihren Eintritt in den Landtag geknüpft haben, anmaßend, behauptet, die
Königskrönung ginge die Deutschen nichts an, und spricht von „Wiener und
Berliner Spekulanten“", welche an Stelle des historischen Adels in die Lati-
fundien eindrängen und Gegner der Tschechen seien. Als er zum Schluß
die Frage der Krönung dem Landtage eindringlichst empfiehlt, zieht er das
Taschentuch hervor und wischt sich eine Thräne aus dem Auge.
Der Führer der Alttschechen, Rieger, stellt darauf folgenden
Antrag:
„Obgleich wir gerechte Bedenken gegen den Inhalt, die Form, sowie
bezüglich der Zeitgemäßheit der Adresse haben, betrachten wir dennoch die
Angelegenheit für unser Volk als wichtig und teuer. Ich beantrage daher,
die Adresse einer Kommission zur gründlichen Erörterung zu überweisen.“
Riegers Antrag wird unter stürmischen Beifallsbezeugungen angenommen.
2. Hälfte Oktober. (Tirol: Absonderung Wälschtirols.)
Der Abgeordnete Dordi bringt im Abgeordnetenhaus einen Antrag
auf Gewährung autonomer Verwaltung und eines eigenen Land-
tages für Wälschtirol ein, den er mit der Verschiedenheit der Sprachen
begründet.
Die Deutschkonservativen sprechen dagegen; die Deutschliberalen er-
klären sich für eine Ueberweisung an einen Ausschuß. Der Statthalter
spricht fich entschieden gegen die beabsichtigte Teilung des Landes aus, ist
jedoch bereit, über administrative Zugeständnisse zu verhandeln. Der Antrag
Dordis wird schließlich mit 37 gegen 27 Stimmen einem Ausschusse über-
wiesen. Die Deutschkonservativen erklären, sie würden eine Wahl für diesen
Ausschuß nicht annehmen.
27. Oktober. (Böhmen: Tschechische Interpellation.)
Graf Thun wird, weil er bei der Beantwortung der Interpellation
der Jungtschechen wegen Auflösung des akademischen Lesevereins zu
Prag sein Bedauern ausgesprochen, daß ein Professor die Inter-
pellation mitunterschrieben und diese Erklärung in deutscher Sprache
gegeben, im Landtage interpelliert.
Er erklärt, diesmal in tschechischer Sprache, er glaube nicht, durch
den Hinweis darauf, daß ein Abgeordneter, welcher zugleich Professor sei,
die Interpellation wegen Auflösung des tschechischen akademischen Lesevereins
mitunterzeichnet hätte, der Unverletzlichkeit der Abgeordneten zu nahe getreten
zu sein; er habe es nur für seine Pflicht erachtet, an alle Faktoren zu
appellieren, welche berufen seien, die Studentenschaft von Gesetzwidrigkeiten
abzuhalten. Bezüglich des Vorwurfs, daß er diese Interpellation in deut-
scher Sprache beantwortet habe, verweise er auf die Geschäftsordnung, der
zufolge er ebenso, wie die Abgeordneten, das Recht freier Wahl der Landes-
sprache bei den Verhandlungen auch für sich in Anspruch nehme.
30. Oktober. Beide österreichischen evangelischen Ge-
neral-Synoden fassen den Beschluß, am Reichs-Volksschul-
gesetze festzuhalten.
30. Oktober. (Böhmen: Krönungsadresse.) Eine von
Europ. Geschichtskalender. Bd. XXx. 12