Die Oefterreithisch·Angarische Menarthie. (November 8.--12.) 179
dem Herrscher besteht ein Verhältnis, in welchem das beiderseitige Band durch
die Existenz der Dynastie bedungen ist, so daß nach Aussterben der Dynastie
das böhmische Volk wieder freie Königswahl hätte. Niemals ist ein böh—
mischer König deutscher Vasall gewesen. (Beifall.) Dies ist die Bedeutung
des Staatsrechtes, namentlich gegenüber den neueren Bestrebungen auf eine
staatsrechtliche Verbindung zwischen Deutschland und Oesterreich. In Böh-
men herrsche ein freudiges Gefühl für die Königskrönung. (Beifall.) Der
Jungtscheche Julius Gregr als Minoritätsreferent erklärt darauf, er würde
eine Antwort auf die persönlichen Angriffe Riegers als eine Profanierung
dieser Debatte betrachten. (Beifall seitens der Jungtschechen; der Oberst-
landmarschall droht mit Räumung der Gallerien),. Nachdem auch der Jung-
tscheche Eduard Gregr für die Adresse gesprochen hatte, ergreift Prinz Schwar-
zenberg das Wort. Derselbe protestiert gegen jede Zweiteilung Böhmens,
nur unter Festhaltung der staatsrechtlichen Formen sei die Herstellung des
inneren Friedens des Landes möglich. Die Diskussion über das böhmische
Staatsrecht sei eigentlich nur ein Schlag auf die Trommel.
Am 8. wird die Debatte fortgesetzt.
Zunächst spricht der Jungtscheche Spindler. „Die Abgeordneten,"
sagt er, „haben nicht die Interessen der Krone zu vertreten, sondern vor
allem die der tschechischen Nation. (Stürmischer Beifall der Jungtschechen.
Mehrere Großgrundbesitzer verlassen demonstrativ den Saal.) Im Verlauf
seiner Rede beklagt er — über die Fortdauer der Germanisation und zwar
durch preußische Hilfe, welche dem deutschen Schulwesen zu teil werde. Nach
Spindler spricht in alttschechischem Sinne der Prinz Alfred Windischgrätz.
Er äußert, von der weisen Entschließung des Trägers der heiligen Wenzels-
Krone müsse der Zeitpunkt der Verwirklichung der Wünsche des tschechischen
Volkes abhängen. Er könne nicht früher dafür eintreten, bis darob die
Herzen der ganzen Bevölkerung des Landes höher schlügen.
Am 9. findet die Fortsetzung und Beendigung der Adreß-
debatte statt.
Nachdem mehrere Redner beider Parteien gesprochen und der Alt-
tscheche Rieger noch einmal den Standpunkt der Majorität verteidigt und
unter großem Beifall auf die Gegenseitigkeit des Vertrauens zwischen dem
Monarchen und dem Volke hingewiesen hatte, wird der Antrag der Majo-
rität, über die Adresse der Jungtschechen zur Tagesordnung überzugehen,
mit 113 gegen 37 Stimmen angenommen. Der Jungtscheche Tilscher rief
darauf mit Stentorstimme: „Es lebe das tschechische Staatsrecht!“ Darauf
erhebt sich, wie auf Kommando, die zumeist von Studenten dicht besetzte
Gallerie mit wütendem Geschrei, Johlen und Lärmen. Die Skandalscenen
fanden unten im Saale ihre Fortsetzung bei den Abgeordneten. Die Jung-
tschechen eilen mit drohend erhobenen Händen hin und her. Die Stimme
des Oberstlandmarschalls, welcher die Gallerie zu räumen befiehlt, verhallt
ungehört im Getöse. Endlich verlassen die Studenten unter wüstem Gejohle
und Schmähungen gegen die Alttschechen die Gallerie. Die Skandalszenen
hatten 15 Minuten gedauert.
8. November. (Niederösterreich: Antrag auf Einfüh-
rung der konfessionellen Schule) wird mit allen gegen 5
Stimmen abgelehnt.
12. November. (Böhmen: Landtagswahlordnung.)
Von der jungtschechischen Partei wird ein Antrag wegen Aenderung
der Landtagswahlordnung, sowie der weitere Antrag auf Aufhebung de?
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