Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfter Jahrgang. 1889. (30)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 17.—2. Hälfte.) 9 
direkten Einkommensteuerwesens, welche auch schon in der Thronrede ange- 
kündigt worden; die beabsichtigte Erleichterung soll im wesentlichen durch die 
günstigen Ergebnisse der Eisenbahnverwaltung ermöglicht werden. Ebenso 
verweist Herr v. Scholz auf das demnächst zu erwartende Gesetz betr. die 
Verbesserung der Lage der Geistlichen. Der Rückblick auf die verflossene 
Finanzperiode der letzten Jahre, so resumiert der Minister, lasse durchweg 
eine gesunde fortschreitende Entwickelung des preußischen Finanzwesens er- 
kennen, mit Ruhe sehe die Regierung der Kritik des Landtages entgegen, 
nur absichtliche Unzufriedenheit könne unserer Finanzlage gegenüber die all- 
gemeine wirtschaftliche Besserung verkennen. 
     17. Januar. (Die Anklageschrift gegen Gesscken.) Der 
„Reichs-Anzeiger" veröffentlicht die A. Kabinetsordre, betr. Publi- 
kation der Anklageschrift wider den Prof. Dr. Gesscken nebst dem 
diesbez. Bericht des Reichskanzlers und der Anklageschrift. 
Auf Ihren Bericht vom 13. d. M. beauftrage Ich Sie, den Bundes- 
regierungen und dem Reichs-Anzeiger die amtlichen Mitteilungen zu machen, 
welche erforderlich sind, um den Regierungen und den Reichsangehörigen ein 
eigenes Urleil über das Verhalten der Reichs-Justizverwaltung in der Unter- 
suchungssache wider den Professor Dr. Gesscken zu ermöglichen. Zu diesem 
Zwecke bestimme ich, daß die Anklageschrift gegen den Dr. Gesscken im Reichs- 
Anzeiger veröffentlicht und nebst den Anlagen derselben dem Bundesrat be- 
hufs Verwertung im Sinne Ihres Berichts mitgeteilt werde. 
            Berlin, den 13. Januar 1889. 
                                              Wilhelm. R. 
                                                                                                  von Bismarck. 
An den Reichskanzler. 
Im Anschluß an diese Publikation wird den Mitgliedern 
des Bundesrats der bei der Haussuchung saisierte Privat-Brief- 
wechsel zwischen Gesscken und v. Roggenbach vorgelegt. Am 19. 
bringt die „Köln. Ztg.“ einen im gehässigsten Ton gehaltenen Aus- 
zug aus diesen Privatbriefen. Die „Nat.-Ztg.“ gibt der Empörung 
der öffentlichen Meinung hierüber Ausdruck, indem sie erklärt: 
„Jedes große Organ der deutschen Presse sollte es unter der Würde 
unseres Staatslebens halten, einen „vertraulichsten Gedankenaustausch“ an 
die Oeffentlichkeit zu zerren.“ Darin, daß jene Privatbriefe dem Bundesrat 
vorgelegt wurden, sieht sie die äußerste Grenze des Zulässigen in der Be- 
nutzung dieses Materials. Indem die Regierung dasselbe im Reichsanzeiger 
nicht mit abdruckte, habe sie diesen Satz selbst anerkannt; daß das Material 
auf dem Wege der Indiskretion ausgenutzt worden sei, sei zu bedauern. 
17. Januar. (Min. v. Friedberg und v. Schelling.) 
Der „Reichsanzeiger“ bringt die amtliche Nachricht der Entlassung 
Justizministers von Friedberg unter Belassung des Titels und 
Ranges eines Staatsministers. Zu seinem Nachfolger wird der 
Staatssekretär des Reichsjustizamts, von Schelling, ernannt. 
19. Januar. Der kommandierende Admiral Graf v. Montsf. 
2. Hälfte Januar. (Friedenspolitik Bischof Kopps.) 
Der „Dziennik Poznanski“ veröffentlicht ein von dem Fürstbischof 
 
	        
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