Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfter Jahrgang. 1889. (30)

180 Hie Gesterreichisch-Angeristze Menarie. (November 14.—28.) 
§ 54 des Gesetzes vom Jahre 1877 eingebracht, wonach die Landesordnung 
bei Anwesenheit von ¾ sämtlicher Abgeordneten mit ⅜ Mehrheit abge- 
ändert werden kann. 
14. November. (Böhmen: Landtag.) Der Landtag erklärt 
infolge Aufforderung des Oberstlandmarschalls Fürsten Lobkowitz 
einstimmig, diejenigen Abgeordneten, welche seit dem 10. No- 
vember ohne Urlaub den Sitzungen des Landtages fernblieben 
und ihre Abwesenheit nicht rechtfertigen, als ausgetreten. 
20. November. (Ungarn: Finanzen.) Im Abgeordneten- 
hause führt bei der Budgetdebatte Finanzminister Weckerle aus, 
Ungarn ertrage die, wenn auch gesteigerten, Steuerlasten viel leichter 
als zuvor. Die vollständige Herstellung des Gleichgewichtes im Staatshaus- 
halte könnte durch ungünstige Erscheinungen, wie eine schlechte Ernte und 
dergleichen, nur für kurze Zeit hinausgeschoben werden. Der Finanzminister 
erklärt sich als unbedingter Anhänger, nicht nur der politischen, sondern, so 
lange die wirtschaftlichen Interessen Ungarns dabei ihre Befriedigung fänden, 
auch der wirtschaftlichen Zusammengehörigkeit mit Oesterreich. Ungarn könne 
im wirtschaftlichen Kampfe der europäischen Staaten nur auf der gegen- 
wärtigen Basis auf Erfolge rechnen. Gegenüber persönlichen Angriffen, 
welche einige Redner im bisherigen Verlaufe der Budgetdebatten gegen den 
Ministerpräsidenten Tisza richteten, weist Minister Weckerle auf die Soli- 
darität des Kabinets hin. 
20. November. (Niederösterreich. Landtag: Kund- 
gebung.) Der niederösterreichische Landtag wird mit einer bedeut- 
samen Kundgebung geschlossen. 
Unter allgemeinem Beifall feiert der liberale Abgeordnete Dumba in 
einer Schlußrede den Reichsgedanken, indem er gegen den Partikularismus, 
insbesondere gegen die Neubelebung des böhmischen Staatsrechtes protestiert, 
welches den Glanz der österreichischen Kaiserkrone abschwächen, die Einheit 
und Machtstellung des Reiches erschüttern würde. 
25. November. (Böhmen: Hußdebatte.) Im Landtage 
kommt es zu einer stürmischen Szene. 
Von jungtschechischer Seite wird beantragt, den Namen Huß' auf 
die Gedenktafeln an den Fronten des Prager Museums einzutragen. Die 
Alttschechen widersetzen sich dem auf das Heftigste. Rieger nennt das Ver- 
halten der Jungtschechen unschicklich. Lenz behauptet, die Rehabilitirung 
von Huß wäre eine „Hinrichtung der katholischen Kirche“. Die Jung- 
tschechen dagegen verherrlichen das Wirken Huß', weil durch ihn die helle 
reine Luft des Slaventums wieder über Böhmen gekommen sei. Fürst 
Schwarzenberg ruft: die Lehre Huß' ist nichts anderes, als der Kommunis- 
mus des 15. Jahrhunderts war, daß aus den Hussiten eine Bande von 
Räubern und Brandstiftern wurde, und daß er stolz darauf sein würde, 
wenn die weißblaue Fahne der Schwarzenberge wieder das Kampfzeichen 
wider die Neuhussiten würde. Schließlich wird eine Resolution Schwarzen= 
bergs: „der Landesausschuß möge Sorge tragen, daß bei der Auswahl der 
Namen für die Museumgedenktafeln die religiösen Gefühle nicht verletzt 
werden“, an die Kommission verwiesen. 
28. November. (Bürgermeister von Wien.) Bei der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.