Spanien. (Juni 1. Hälfte — November 1.) 187
die Ordnung wieder herstellen will, zerbricht seine Glocke und der nun fol-
gende Tumult zwingt ihn, die Sitzung aufzuheben. Bei der Wiederauf-
nahme der Sitzung sprechen sowohl Sagasta wie Canovas über notwen-
dige Sparsamkeitsmaßregeln; als man jedoch zur Abstimmung übergehen
will, verläßt Martos seinen Präsidentenstuhl. Ein großer Tumult ist die
Folge. Beleidigungen fliegen unter den Deputierten hin und her. Hierauf
wird gegen Martos die Zensur beantragt, der infolge davon sein Amt
niederlegt.
Ministerpräsident Sagasta reist aus Anlaß des Zwischenfalles
Martos nach Aranjuez zur Königin, welche ihm wiederholt ihr
Vertrauen ausdrückt. Am 24. kehrt er aus Aranjuez nach Madrid
zurück und vertagt auf unbestimmte Zeit auf Grund erhaltenen
Dekrets die Kammer. Die Minister hatten Sagasta ihre Porte-
feuilles zur Verfügung gestellt; derselbe lehnte jedoch ab und be-
zeugte den Ministern sein volles Vertrauen.
1. Hälfte Juni. (Die Cortes)y treten zu einer neuen Session
zusammen. An Stelle von Martos wird Alonso Martinez mit
237 von 354 Stimmen zum Präsidenten gewählt.
2. Hälfte Juli. (Graf Benomar) wird wegen Enthüllung
von Staatsgeheimnissen in Anklagezustand versetzt.
Bis zum Ausgang des Jahres ist es zu einer Urteilsfällung noch
nicht gekommen.
September. (Spanisch-marokkanische Konflikte.) Die
Räubereien marokkanischer Riffpiraten an spanischen Schiffen führen
wiederholte Konflikte zwischen beiden Regierungen herbei, die erst,
nachdem Marokko einige der Räuber ausgeliefert, beigelegt werden.
1. November. (Der Staatshaushalt) für das Finanzjahr
1890.91 schließt mit 803 332 159,65 Peseten Ausgaben und
803349 277 Peseten Einnahmen, d. h. mit 16 685,35 Peseten
Ueberschuß ab.
Die „Frankf. Ztg." schreibt in Bezug auf das Budget: Mit diesen
Voranschlägen für 1890/91 wird gleichzeitig der Staatshaushalt für das
laufende Jahr, der im Sommer unerledigt blieb und seither durch König-
liches Dekret in Kraft gesetzt wurde, im großen und ganzen mit anerkannt.
Doch ist es dem Finanzminister gelungen, von neuem 12½ Millionen Er-
sparnisse zu erzielen. An diesen Ersparnissen partizipieren Krieg und Ma-
rine nur mit 159,610 und 480,152 Peseten. Die Geringfügigkeit dieser
Zahlen erklärt sich dadurch, daß der Marineminister, dessen Ressort in den
letzten Jahren am stärksten beschnitten wurde, wenn anders die spanische
Flotte zukünftig noch im stande bleiben soll, den notwendigsten Küsten= und
Kolonialdienst zu versehen, weitere Ersparnisse in seinem Ministerium nicht
einführen kann, der RKriegsminister aber hat sich zu einer Heeresreduktion
im großen bereit erklärt, doch haben er und das Gesamt-Ministerium gleich-
zeitig beschlossen, die Reduktion nur nach eingeholter Zustimmung aller Par-
teien der Kortes vorzunehmen. Gegenüber dem laufenden Jahr hat der
Finanzminister bei den ordentlichen Einnahmen aus Zöllen, Steuern, Mono-