Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfter Jahrgang. 1889. (30)

190 Grofbritunnien. (Januar 25.—März.) 
von der französischen Regierung als „sans valeur sérieuse“ bezeichnet. 
Hinzu kommen 6 Panzerschiffe zur Küstenverteidigung, welche vielen eng- 
lischen Schlachtschiffen überlegen sind. Mithin hat Frankreich 30 taugliche 
Schiffe, obendrein noch 8 gepangerte Kanonenboote. Von den englischen 
Schiffen sind in europäischen Gewässern nur die obenerwähnten 36 Schlacht- 
schiffe tauglich, denn 6 weitere sind als nicht effektive bezeichnet und 2 als 
„altes Eisen“ zum Verkauf gestellt. Nach dem englischen Schlachtplan, bei 
einem eventuellen Seekrieg die feindliche Flotte zu zerstören, muß England 
mit 36 Schlachtschiffen 30 französische Schlachtschiffe und 8 Kanonenboote 
angreifen. Frankreich kann als Kontinentalmacht die Vernichtung seiner 
Flotte aushalten, eine solche wird England für immer niederwerfen. Ein 
Anschluß an die Allianz der Mittelmächte wird England wenig helfen, da 
diese nicht geneigt sein werden, England in seinen vitalen Interessen zu schützen. 
25. Januar. (O'Brien.) Der Deputierte O'Brien, von 
neuem dingfest gemacht, wird zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. 
25. Januar. (Heeresreform.) General Wolseley empfiehlt 
in einer Versammlung in Birmingham die zweijährige allgemeine 
militärische Dienstzeit. Seine Auslassungen über die allgemeine 
Situation werden sehr pessimistisch aufgefaßt. 
10. Februar. (Meeting.) Von den Vereinigungen der Radi- 
kalen Londons wird ein Meeting im Hydepark abgehalten, dem 
mehrere tausend Personen beiwohnen, um gegen die Behandlung 
des Deputierten O'Brien und anderer politischen Gefangenen zu 
protestieren. 
Trotz des herrschenden Schneefalls ist die Zahl der Manifestanten, 
die aus allen Stadtvierteln mit Musikbanden und Fahnen an der Spite 
herbeigeströmt waren, eine große. Die von mehreren Rednern gegen den 
Generalsekretär für Irland, Balfour, gerichteten Anschuldigungen finden sehr 
beifällige Aufnahme. Es werden mehrere Resolutionen einstimmig ange- 
nommen, in welchen gegen Balfour und gegen die brutale Politik der Re- 
gierung in Irland Protest erhoben und verlangt wird, daß die Führer der 
liberalen Partei energisch gegen das unmenschliche Verfahren der Regierung 
vorgingen. Das Meeting verläuft ohne Ruhestörung. Eine beträchtliche 
Polizeimacht überwacht die Demonstration. 
14. Februar—März. (Prozeß Parnell.) In der Sitzung 
der Parnell-Kommission (vgl. Gesch.-Kal. 1888 S. 309 ff.) kommt 
der erste Teil des Parnell-Prozesses, welcher die Landliga als ver- 
brecherische Verbindung darstellt, zum Abschlusse, und es beginnt 
der zweite Teil, welcher sich um die Echtheit der von der „Times“ 
veröffentlichten Briefe Parnells dreht. Der Sachwalter der „Times“, 
Soames, deponiert über die bekannten Parnellbriefe der „Times“. 
Danach gingen diese Briefe der „Times“ von dem Sekretär der irischen 
unionistischen Gesellschaft „Loyal and patriotic Union"“, Houston, zu; Hou- 
ston aber empfing dieselben von einem gewissen Pigott, ehemaligen Redakteur 
der irischen Zeitung „Shamrock.“ Die Briefe wurden Houston von der 
„Times“ mit 2622 Pfd. Sterl. bezahlt; von der „Times“ wurden außerdem 
 
	        
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