Graßbritannien. (Juni 1. Hälfte —Juli 25.) 199
und von der Kaufmannschaft als erforderlich angesehen werden, ehe die Re—
gierung Schritte thun könne.
1. Hälfte Juni. (Unruhen in Irland.) Bei der Eintrei-
bung der Entschädigungsleistungen von irischen Pächtern in dem
Orte Rocoles bei Kanturk kommt es zu langen und hitzigen Kämpfen
zwischen den in ihren Häusern verbarrikadierten Pächtern und den
Gerichtsvollstreckern. Von letzteren werden zehn mit heißem Wasser
verbrüht und verwundet fortgeschafft; zwei Pächter werden zum
Tode verwundet.
25. Juni. (Grundbesitzbill.) Das Oberhaus nimmt die
dritte Lesung der von der Regierung eingebrachten Bill betreffend
die Erleichterung der Uebertragung von Grundbesitz mit 113 gegen
104 Stimmen an.
28. Juni. (Oberhaus: Rede Salisburys über die
Stellung zur Pforte.) Der Premierminister Lord Salisbury
erklärt,
es sei unzweifelhaft, daß die Pforte Verpflichtungen gegen England
und andere Mächte hinsichtlich Armeniens eingegangen sei, er könne aber
nicht zugeben, daß England für die Erfüllung des Versprechens der Pforte
verantwortlich gemacht werde, die englische Regierung könne solche Verant-
wortlichkeit nicht übernehmen. Der Einfluß Englands in der Türkei sei vor
1877 groß gewesen, weil die Türkei für die in der Krim Feleisteten Dienste
dankbar war, da aber im Kriege 1877 die Türkei von England nicht ge-
schützt wurde, habe England daher jetzt keinen größeren Einfluß, als andere
Mächte. Salisbury erkennt im weiteren Verlauf seiner Rede die Pflicht
Englands an, überall in seiner Machtsphäre die Verhältnisse der Christen
und anderer Mitmenschen zu verbessern. Er glaube, daß die Berichte über
die Zustände in Armenien übertrieben seien. Die Pforte stelle die erwähnten
Vorgänge in Abrede, könne aber nicht leugnen, daß in jenen Gebieten große
Gesetzlosigkeit herrsche und dort Einfälle seitens der Gebirgsbevölkerung vor-
kämen. Der Pforte könnte der Vorwurf gemacht werden, daß sie keine wirk-
sameren Mittel zur Verhütung jener Gewaltthaten in Anwendung bringe;
indes sei zu bedenken, daß die Türkei schwach und arm sei. Der Premier
sagt die Vorlegung von Aktenstücken zu, welche das Bestehen einer großen
Gesetzlosigkeit in Armenien, aber nicht eine Mitschuld der türkischen Regie-
rung an den Vorgängen beweisen. Ein großer Uebelstand liege in dem
Rassen= und Religionshafse, und empfehle es sich, die Beseitigung jenes
Hasses der stillen Aktion der Zeit zu überlassen.
25. Juli. (Dotationsfrage im Unterhaus.) Aus An-
laß der bevorstehenden Vermählung der ältesten Tochter des Prin-
zen von Wales wird über die Apanagenfrage mit Bezug auf die
Enkel der Königin beraten.
Die mit der Vorberatung der Dotationsfrage betraute Kommission
des englischen Unterhauses hatte gegen die Stimmen mehrerer Liberalen, die
jedwede Dotation oder Erhöhung abgelehnt hatten, beschlossen, die Apanage
des Prinzen von Wales um 36,000 Pfd. Sterl. jährlich zu erhöhen, anstatt
die Kinder desselben besonders zu dotieren. Dagegen sollte der Königin das