Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfter Jahrgang. 1889. (30)

200 Großbritannien. (Juli 30.— August 12.) 
Recht verbleiben, für andere Enkelkinder vom Parlamente Apanagen zu 
verlangen. 
Im Unterhause bringt bei der Beratung der rad. Abg. Labouchère 
einen Unterantrag ein, welcher besagt, daß die zur Verfügung der Königin 
und der übrigen Mitglieder der königlichen Familie stehenden Gelder ohne 
weitere Anforderungen an die Steuerzahler ausreichend seien. Gladstone 
tritt ihm entgegen. 
Im weiteren Verlaufe der Erörterung ergehen sich verschiedene Radi- 
kale, zumeist Vertreter der Arbeiter, in mißachtenden Ausdrücken über die 
Königin und den Thronfolger. Doch wird der Kommissionsantrag angenommen. 
30. Juli. (Rede Churchills.) In einer in Birmingham 
abgehaltenen konservativen Versammlung spricht sich Lord Churchill 
sowohl in Bezug auf die Politik des Kabinets Salisbury in Egyp- 
ten, wie auch den Irländern gegenüber in ziemlich scharfen Gegen- 
satz gesetzt zu der jetzigen konservativen Regierung. 
Lord Churchill erörtert die Eventualität eines etwa zwischen Rußland 
und Oesterreich entstehenden Krieges und äußert dabei, England müsse im 
Hinblic auf die Möglichkeit eines sich daraus entwickelnden allgemeinen 
Krieges alle Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten, soweit sie für die In- 
teressen Englands nicht durchaus wesentlich seien, auf das möglichst geringste 
Maß einschränken. Egypten habe England die Freundschaft Frankreichs und 
der Türkei gekostet, beide Mächte würden wichtige Konzessionen machen, so- 
bald sie die Wahrscheinlichkeit sähen, daß England in einem angemessenen 
Zeitraume Egypten räume. Bleibe aber England in Egypten, so werde es 
im Falle eines europäischen Krieges seine Okkupationsarmee und die Mittel- 
meerflotte vervierfachen müssen. Lord Churchill spricht sich ferner gegen die 
Einkerkerung der irischen Deputierten und für die Politik der Versöhnung 
aus, besonders in der Richtung, daß eine Dezentralisierung und die Herstel- 
lung einer lokalen Selbstverwaltung eintrete. 
12. August. (Oberhaus: Egyptische Politik.) Im Ober- 
haus kommt die egyptische Politik Englands zur Sprache. Lord 
Carnarvon befürwortet ein Verbleiben Englands in Egypten und 
wünscht, daß England Egypten so verwalte, wie Ostindien verwaltet 
werde. Lord Salisbury erwidert: 
Die Aufgabe, welche das Ministerium gefunden, als es die Regierung 
angetreten, sei eine sehr schwierige gewesen. Das Ministerium habe nicht 
erwartet, Egypten in kurzer Zeit zu dem hohen Grade der Wohlfahrt euro- 
päischer Länder bringen zu können, aber Dank der staatsmännischen Leitung 
durch die englischen Beamten des Khedive sei ein anhaltender Fortschritt ge- 
macht, der Egypten den Frieden und die Mittel zu erhöhter Wohlfahrt und 
zur Erweiterung seines Industrie= und Handels-Gebietes bringe. Egypten 
habe unter der zeitweiligen Vormundschaft Englands viele wirkliche Fort- 
schritte gemacht. Die finanziellen Lasten Egyptens seien allerdings schwerer, 
als wünschenswert erscheine, weil die Hälfte der Einkünfte für die Zinsen 
auf die Staatsschuld verausgabt würde. Was die künftigen Beziehungen 
Englands zu Egqypten anbelange, so habe die Regierung wiederholt erklärt, 
was seiner Ansicht nach eine Verpflichtung Englands gegen Egypten sei. Die 
Regierung sei von ihrer, vor vier Jahren aufgestellten Politik in Egypten 
nicht um Haaresbreite abgewichen. Er halte es für unnötig, die Verpflich- 
tungen zu wiederholen, deren Erfüllung England, bevor es seine Vormund-
	        
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