Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfter Jahrgang. 1889. (30)

216 Frankreich. (März 29.— April Anf.) 
widerspricht und droht, entgegengesetzten Falls den Sitzungssaal en masse zu 
verlassen. Die Linke verlangt darauf namentliche Abstimmung, wobei mit 
247 gegen 116 Stimmen beschlossen wird, zur Beratung der einzelnen Ar- 
tikel überzugehen. Bei der hierauf vorgenommenen Spezialdebatte wird die 
Vorlage mit einem Zusatzartikel angenommen, wonach die Kosten des Denk- 
mals den Betrag von 2 Millionen nicht übersteigen sollen. 
29. bzw. 30. März. (Parlamentarischer Gerichtshof.) 
Der Senat beendigt die Beratung der Vorlage, betreffend das Ver- 
fahren bei der Konstituierung des Senats als obersten Gerichts- 
hofes für Verschwörungen gegen die Sicherheit des Staates (val. 
II. 26.). Der Gesetzentwurf wird mit 207 gegen 63 Stimmen an- 
genommen. — Die Beschleunigung des Votums wird von den 
Zeitungen alsbald mit der Absicht der Regierung, Boulanger und 
andere Personen vor diesen obersten Gerichtshof zu stellen, in Zu- 
sammenhang gebracht. 
Am Tage darauf kommt das Gesetz in der Deputiertenkammer 
zur Verhandlung. Der Generalprokureur Bouchez erklärt da: das 
von dem Justizminister gelieferte Beweismaterial genüge nicht, um 
die Anklage und Verhaftung Boulangers vorzunehmen. Wie sich 
indes herausstellt, ist Bouchez selbst Boulangist; er wird deshalb 
abgesetzt. 
Am selben Tage ruft eine Gesetzesvorlage wegen Ueberweisung 
der Preßvergehen an das Zuchtpolizeigericht den Protest der Bou- 
langisten hervor. Laur ruft: „Diese Vorlage ist eine Schande für 
die Republik.“ Cassagnac: „Die Regierung gebraucht schmachvolle 
Waffen vergangener Zeiten; sie will der Vergeltung des Volks ent- 
gehen und die Stimme der Presse ersticken. Nur Schurken fürchten 
das Licht!“ Trotzdem wird die Dringlichkeit mit 266 gegen 259 
angenommen. 
Anf. April. Tierarzt Antoine aus Metz, von dem Mini- 
sterium Tirard aufgefordert, wieder in den französischen Staats- 
verband zu treten, hält bei einem in Havre ihm zu Ehren veran- 
stalteten Banket eine Rede, 
in welcher er zur Versöhnung zwischen den republikanischen Parteien 
auf patriotischem Gebiete ermahnt. Er sei gegen die Rückkehr einer per- 
sönlichen Gewalt, welcher die Feinde Frankreichs allein Erfolg wünschen 
könnten; es sei unrichtig, daß er eine neue Patriotenliga organisieren wolle; 
die wahre Patriotenliga bestünde bereits und dies sei die Armee. Alsdann 
appelliert Antoine an die Ingend, welche die Größe und Unversehrtheit 
Frankreichs wünsche und die Frankreich durch ihre Willensstärke und ihren 
Mut eine weniger trübe Zukunft bereiten möge, als die Vergangenheit es 
war, welche die gegenwärtige Generation dem Lande bereitet habe. Antoine 
schließt mit den Rufen: Es lebe Frankreich, es lebe Elsaß-Lothringen, es 
lebe die Republikk
	        
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