Erankreith. (April 2. -3.) 217
2. bzw. 6. April. (Patriotenligaprozeß.) Vor dem
Pariser Zuchtpolizeigericht beginnt der Prozeß gegen die Leiter der
Patriotenliga.
Déroulêède, Richard, Naquet, Turquet, Laguerre, Laisant und Gallian
sind beschuldigt: vermittelst einer feindseligen Handlung den Staat einer
Kriegserklärung ausgesetzt, eine nicht erlaubte GEsellschaft gebildet und an
einer geheimen Gesellschaft sich beteiligt zu haben. Der Bericht beginnt
mit der Geschichte der Gründung der Patriotenliga, ihrer Verwandlung in
einen boulangistischen und politischen Wahlverein und ihrer nach dem
27. Januar erfolgten Umgestaltung in eine geheime, zu politischen Wirren
führende Gesellschaft. Darauf folgen Einzelheiten über den Mobilmachungs-
plan der Liga und die vor dem Palais Bourbon und dem Elysée beab-
sichtigten Kundgebungen. Die Liga, heißt es hierauf, verwandelt sich in
dieser Weise aus einem Wahlmittel in ein Werkzeug des Aufruhrs mit ge-
heimen Verabredungen. Alle Anklagepunkte sind auf Bruchstücke aus bereits
bekannten Rundschreiben der Liga gestützt. Der Antrag kommt indes zu
dem Schluß, daß die Anklage auf Grund des Art. 84 des Strafgesetzbuches
nicht genügend erwiesen sei, und verlangt die Verweisung der Beschuldigten
vor die Strafkammer wegen der Vergehen, eine nicht ermächtigte und eine
geheime Gesellschaft gegründet zu haben.
Das am 6. April verkündete Urteil des Gerichtshofs spricht alle An-
geklagten in Bezug auf den Hauptpunkt der Anklage, daß sie Teilnehmer
einer geheimen Gesellschaft gewesen seien, frei, erklärt dieselben aber der Teil-
nahme an einer behördlich nicht genehmigten Gesellschaft schuldig und ver-
urteilt deshalb jeden der Angeklagten zu einer Geldbuße von 100 Frks. und
zur Tragung der Untersuchungskosten. Beim — “ aus dem Gerichts-
gebäude wurden die Angeklagten mit den Rufen: Es lebe die Liga, es lebe
Boulanger, es lebe Déroulède! empfangen.
3: April. (Boulangers Flucht.) Das Journal La Presse
bringt einen Artikel Laguerres, in welchem mitgeteilt wird, daß
Boulanger auf das dringende Ersuchen seiner Freunde das Land
verlassen habe, welche davon benachrichtigt worden seien, daß die
„Bande“, welche jetzt die Gewalt in den Händen habe, entschlossen
gewesen sei, Boulanger vor einen Ausnahmegerichtshof zu stellen
und ihn nicht lebend wieder aus den Händen zu lassen. Der
Artikel schließt: „Der General ist abwesend, Wir werden aber den
Kampf für die Revision und die nationale Republik fortsetzen."“
In den Morgenzeitungen wird überall die folgende Kund-
gebung Boulangers abgedruckt:
„Franzosen! Die Machthaber, welche in Mißachtung der öffentlichen
Meinung die Regierung führen, haben es unternommen, einen Generalpro-
kurator zu zwingen, einen Anklageakt gegen mich zu richten, über welchen
nur von einem durch Ausnahmegesetze zu stande gebrachten Ausnahmegerichte
verhandelt werden kann. Ich werde mich niemals dazu verstehen, mich der
Jurisdiktion des Senats zu unterwerfen, der aus Männern besteht, welche
durch persönliche Leidenschaften, thörichten Haß und das Bewußtsein ihrer
Unpopularität verblendet sind. Die Pflichten, welche mir die Stimmen aller
in gesetzlicher Weise befragten Franzosen auferlegen, verbieten mir, mich zu
irgend einem Willkürakte herzugeben, welcher die Unterdrückung unserer Frei-