232 Frankreicz. (Oktober 3.—2. Hälfte.)
mission erklärt jetzt an meiner Stelle einen andern für gewählt. Seit der
Einführung des allgemeinen Stimmrechtes ist noch nie ein solcher Spitzbuben-
streich gegen die Rechte der Wähler ausgeführt worden. Die Bestätigung
der Abgeordnetenwahlen steht einzig und allein der Kammer zu, deren Vor-
rechte zu gleicher Zeit wie die eurigen mit Füßen getreten werden. Ihr
sollt fortfahren, Steuern zu zahlen, um einen Vertreter zu haben, und habt
doch keinen. Ihr sollt alle Lasten weitertragen, aber eure Rechte werden
euch entzogen. Die tapfern, braven Republikaner von Montmartre werden
wissen, davon bin ich überzeugt, wie sie das Verlorene wiederzugewinnen
haben in der Erwartung der ehrenhaften Republik und der gesetzmäßigen
Regierung. Ich bin stolz, euer ergebener Abgeordneter zu sein, und ich
bleibe es. Es lebe Frankreich! Es lebe die Republik!
3. Oktober. (Russisch-französische Sympathieen.) In
Algier wird den Offizieren des dort anwesenden russischen Kreuzers
„Admiral Kornilow“ im Handelskasino ein Fest gegeben, an dem
der Kommandeur des XIX. Korps, General Bréart, und andere
Beamte teilnehmen. Die „Köln. Ztg.“ berichtet darüber:
Der Vorsitzende hieß die Russen willkommen und dann gab General
Bréart den freundschaftlichen Gefühlen Ausdruck, welche die französische Ma-
rine und das französische Heer der russischen Armee gegenüber hegten. Nach-
dem er an den Krimkrieg erinnert, sprach er die Hoffnung aus, daß Russen
und Franzosen am Tage des Kampfes für ihre Fahnen Seite an Seite
fechten würden, und schloß mit einem Hoch auf die Nationalfahnen der
beiden Völker. Der Kommandant des Admiral Kornilow dankte und trank
auf das Wohl des Präsidenten Carnot und des französischen Heeres. Nach-
dem der Bürgermeister der Stadt die beiden „Schwesternationen“ gefeiert
und der russische Konsul mit einem Hoch auf Frankreich und Rußland ge-
antwortet hatte, erklärte der Deputierte Letellier, Frankreich wünsche auf-
richtig den Frieden, sollte aber dieser Wunsch sich nicht erfüllen, so sei er
überzeugt, daß Recht und Macht wieder vereinigt würden.
8. Oktober. Boulanger trifft in Jersey ein.
12. Oktober. Minister des Aeußern, Spuller, hält bei
einem Banket iu Epineuse eine Rede, welche mit den Worten
schließt: „Ich trinke auf das Wohl des vervollständigten Frank-
reichs.“ Die „Magdeb. Ztg.“ bemerkt hierzu:
Im Elysée, wohin die Rede telegraphiert worden war, machte diese
Anspielung auf Elsaß-Lothringen einen geradezu verblüffenden Eindruck. So-
fort wurde Befehl erteilt, die obigen Worte aus dem Trinkspruch des Mi-
nisters zu streichen. Die „Agence Havaz welche die Ministerrede bereits
ausgegeben hatte, ließ dieselbe in den Morgenstunden ändern, so daß kein
Blatt die kompromittierenden Worte Spullers veröffentlicht.
2. Hälfte Oktober. (Maßregel gegen Priester.) Justiz-
minister Thevenet erläßt ein Rundschreiben an die Staatsanwälte
bezüglich einer strengen Untersuchung gegen diejenigen Priester,
welche in den Wahlkampf eingriffen.
Mehreren hundert Geistlichen sollen die Gehälter entzogen werden.
(Vgl. 2. Hälfte Dezember.)