Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfter Jahrgang. 1889. (30)

Italien. (November 25. - 30.) 249 
25. November. (Thronrede.) Das Parlament wird mit 
einer Thronrede eröffnet, in der es heißt: 
Sie haben in dem Wetteifer allgemeiner Thätigkeit die italienische 
Produktion begünstigt. Dieser Schutz darf indessen nicht aus Mißtrauen 
und Argwohn hervorgehen, welche ohne allen Nutzen die Völker trennen, 
noch darf er Reformen verhindern, welche den Austausch der Erzeugnisse er- 
leichtern und die internationalen Beziehungen freundschaftlicher gestalten. 
Die Regierung wird Ihnen vorschlagen, den Differential-Tarif zwischen Ita- 
lien und Frankreich aufzuheben, welchen Sie in einem Augenblick des Ueber- 
ganges als zeitgemäß billigten. Dieser Differential-Tarif würde aber, ferner 
aufrechterhalten, uns hindern, zu einem freieren, jedoch jederzeit festen Han- 
delssystem zu gelangen, welchem meine Regierung sich nicht entziehen wird. 
Der Friede scheint Europa heute mehr als je gesichert zu sein, Dank den 
Ratschlägen der Großmächte. Dank meiner und meiner Verbündeten Bestre- 
bungen. Die Fragen, welche den Frieden stören könnten, sind jedoch nicht 
sämtlich beseitigt. Wir werden daher fortfahren, mit wachsamer Sorgfalt, 
jedoch ohne unseren Staatshaushalt zu sehr zu belasten, den Bedürfnissen 
unserer Armee und Marine zu entsprechen, welche die Verteidiger unserer 
Einheit und Unabhängigkeit sind. Aber ich hege das Vertrauen, daß es 
nicht nötig sein wird, die von Allen vorbereiteten Waffen zur Anwendung 
zu bringen. Wir werden die Waffen auch in Afrika niederlegen können, 
wo der Erfolg unsere Politik derartig begünstigt hat, daß uns ausgedehnte 
Besitzungen gesichert sind, und eine weite Aktionssphäre künftig unserem Ein- 
flusse geöffnet ist. Die Thronrede streift alsdann die Brüsseler Antisklaverei- 
konferenz und trägt im übrigen in ihrem ziemlich ausgedehnten kolonial-= 
Hlitischen Abschnitte einen besonders stark ausgeprägten Optimismus zur 
au 
Bezüglich der inneren Politik hebt die Thronrede hervor, daß das 
Werk der Einheit und Freiheit Italiens in solcher Weise gefestigt ist, daß 
Italien weder Hinterhalte noch Gefahren zu fürchten braucht. Mein Vater, 
so heißt es weiter, hat dem Vaterlande die Unabhängigkeit gegeben, — ich 
konnte demselben die Gleichheit aller Bürger geben. Heute sind Alle dazu 
berufen, an der Verwaltung des Staates mitzuwirken, indem die vollständige 
Teilnahme am öffentlichen Leben allen Klassen der Gesellschaft zugestanden 
und die Gewähr dafür geboten ist, daß die aufrichtige Gesinnung der Wähler 
an der Urne zu tage trete. Ich will, daß der Ruhm meiner Herrschaft 
hauptsächlich in dem Wohlergehen der kleinen Leute bestehe. Die Thron- 
rede kündigt Vorlagen an in betreff der Reform der Wohlthätigkeitsanstalten, 
des Schutzes für das Leben der Arbeiter bei der Ausübung ihres Berufes, 
ferner Gesetzentwürfe zur Verbesserung der Lehrergehälter, sowie um den 
Unterricht in den Elementarschulen einheitlich zu gestalten und die Staats- 
verwaltung zu vereinfachen und wohlfeiler zu machen. Neue Steuern werde 
die Regierung vom Parlamente erst dann verlangen, wenn das Staatsbudget 
sich durch die natürliche Steigerung der öffentlichen Einnahmen werde ge- 
hoben haben. 
30. November. (Budget.) In der Deputiertenkammer legt 
der Minister des Schatzes Giolitti das definitive Budget für 1888/89, 
das berichtigte Budget für 1889/9t0 und den Budget-Voranschlag 
für 1890/91 vor. 
Der definitive Voranschlag des Budgets für 1888/89 enthielt einen 
außerordentlichen Kredit von 127 Millionen Lire zu außerordentlichen mili- 
 
	        
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