Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfter Jahrgang. 1889. (30)

252 Bie Rimische Kurie. (Februar 1. Hälfte— Mai 1. Hälfte.) 
erkennt, die meisten Stiftungen seien gut verwaltet und das Vermögen der- 
selben in zehn Jahren um zehn Millionen gewachsen, daß man endlich 
nichts anderes will, als daß alle Stiftungen den ursprünglichen Absichten 
der Gründer entsprechen und darum einer obersten Aufsicht unterstellt wer- 
den sollen. 
1. Hälfte Februar. Der Wortlaut der letzten päpstlichen 
Allokution wird bekannt. Hiernach sagt der Payst, 
er beklage den Irrtum der Freiheit, sich von der Kirche und den 
christlichen Grundsätzen loszusagen; daher rührten die zahlreichen Uebel für 
die ganze Gesellschaft. Ueber diese Sachlage lebhaft besorgt, suche er nach 
Heilmitteln, um das Verständnis dafür zu erwecken, daß die Rückkehr zu 
den christlichen Grundsätzen die Gesellschaft befestige. Zu diesem Zwecke 
trachte er, sich den Regierungen zu nähern, und sei dies gegenwärtig betreffs 
Rußlands der Fall; er hoffe, daß die Verhandlungen mit Rußland Erfolg 
haben werden. In gleicher Weise wende er seine Sorgfalt den Polen und 
der Regelung der dortigen Diözesanverwaltung zu. Die für die Bischofs- 
sitte in Rußland zu ernennenden Persönlichkeiten seien bereits designiert; er 
hätte dieselben zu präkonisieren gewünscht, allein die Erledigung der Ange- 
legenheit erheische noch Zeit; er werde die Bemühungen zur Annäherung 
der Staaten behufs Wahrung der kirchlichen Interessen fortsetzen, denn die 
Schwierigkeiten der gegenwärtigen Zeit erheischten die Hilfe der Religion. 
Die jüngsten Unordnungen in Rom, wo die Leidenschaften sich gegen die 
Fundamental-Ordnung der Gesellschaft erhoben, bewiesen die Notwendigkeit 
der Beschwörung der Gefahren durch die religiöse Idee; denn ohne die Re- 
ligion könnten die Menschen nicht zu den Grundsätzen der Pflichten und der 
Ordnung im Staate zurückgerufen werden. Der Friede sei notwendig, be- 
sonders jetzt und die Souveräne, Staatsmänner und Parlamente begriffen 
diese Notwendigkeit, da sie die Schrecken des Krieges kennen. Selbst die 
militärischen Rüstungen seien ein Beweis hiefür; allein die Rüstungen und 
der gute Wille genügten nicht zur Sicherung eines dauernden Friedens. 
Denn die Rüstungen verursachten gegenseitiges Mißtrauen und die VBölker 
fingen an, unter dem Drucke der Militärausgaben sogar den Krieg zu wün- 
schen, welcher den unerträglichen Lasten ein Ende machen solle. Die Grund- 
lagen des Friedens beruhten in der Gerechtigkeit, der Eintracht und dem 
Wohlwollen. Man möge zu Christus beten, daß er in Europa Frieden 
herrschen lasse. 
1. Hälfte Mai. (Ein päpstliches Schreiben) an den Erz- 
bischof Bonomelli von Bologna wird bekannt, das sich über die 
Frage der weltlichen Souveränetät verbreitet. Es heißt in dem 
Schreiben nach der Uebersetzung der „Schlesischen Zeitung“: 
Uebrigens begreifst Du, von welchem Werte es sei, sorgfältig darauf 
zu achten, daß die Sache des Römischen Papsttums nicht durch das Dispu- 
tieren auf ein niedrigeres Gebiet herabgezogen werde. Es ist nämlich uner- 
läßlich, in einer so hochwichtigen Angelegenheit nicht nach den wandelbaren 
äußeren Vorgängen zu urteilen, sondern sich auf höhere Rechtfertigungs- 
gründe zu beziehen und ernstlich abzuwägen, was die Gerechtigkeit fordere 
und was der Apostolische Stuhl zu seiner göttlichen Aufgabe braucht. Denn 
was Wir oft gesagt haben und noch öfter sagen müssen: Bei der weltlichen 
Staatshoheit (des Papstes) handelt es sich nicht um etwas Irdisches, son- 
dern um die Freiheit der apostolischen Aemter und Rechte — eine Freiheit, 
welche fremder Gewalt und Willkür nicht unterworfen sein darf. Darum
	        
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