Schweiz. (Juli 9.— August 18.) 259
des Strafrechts übertragen werden, welche in den Geschäftskreis des eid-
genössischen Justiz= und Polizeidepartementes fallen.
Auf besondere Weisung hin vertritt der Generalanwalt die Eidge-
nossenschaft vor Gericht.
Art. 5. Der Bundesrat kann für Fälle besonderen Bedürfnisses
weitere Vertreter der Bundesanwaltschaft bestellen.
9. Juli. (Antwortnote des Bundesrates.) Der
Bundesrat beantwortet die drei Erlasse des deutschen Reichskanzlers
(ugl. Deutsches Reich 4. VII.) mit einer Note,
die im ersten Teile den bisherigen Standpunkt der schweizer Bun-
desregierung festhält, und wiederholt, insbesondere sich gegen die deutsche
Auslegung des Artikels 2 des Niederlassungsvertrages wendet und nament-
lich die volle Aufrechterhaltung des schweizer Asylrechts wahrt. Im zweiten
Theile verspricht sie in bestimmten und unzweidenutigen Ausdrücken, daß die
gegen Deutschland gerichteten anarchistischen und revolutionären Bestrebungen
und Ausschreitungen aufs wachsamste beobachtet und streng bekämpft werden
sollen. In dieser Hinsicht wird auf die Schaffung des neuen Amtes als
Beweis guten Willens hingewiesen.
22. Juli. (Kündigung des deutsch-schweizerischen
Niederlassungsvertrages.) Der schweizerische Bundesrat
macht amtlich bekannt:
„Die deutsche Regierung hat am 20. Juli den Niederlassungsvertrag
vom 27. April 1876 nebst den Zusatzprotokollen vom gleichen Datum und
vom 21. Dezember, 1881 gekündigt. Da nach Art. II des Vertrages dieser
bis nach Ablauf eines Jahres von dem Tage an in Geltung bleibt, an
welchem der eine oder andere der vertragabschließenden Teile gekündigt hat,
so wird der Vertrag am 20. Juli 1890 außer Kraft treten."
11. August bzw. 27. September. (Sozialistische Agitation.)
Eine in Olten stattgehabte von 16 sozialdemokratischen Vereinen
beschickte Versammlung beschließt einstimmig, über das Bundesgesetz
betreffend den Generalanwalt die Volksabstimmung zu verlangen
und die dazu nötigen 30,000 Unterschriften zu sammeln. Die „Post“
bemerkt hierzu:
So werden die Schweizer Sozialdemokraten die Probe darauf zu
machen haben, ob sie zu Gunsten ihrer deutschen, österreichischen und russi-
schen Gesinnungsgenossen, die zur Herbeiführung des Referendums nötige
Anzahl, ganze 30,000 Stimmen, in der Schweiz aufbringen können. Bisher
hatten ihre eigenen Freunde gemeint, daß ihnen vor diesem Wagnis die
Kourage ausgehen werde.
Am 27. September läuft die Einlieferungsfrist der Stimmen ab
und es ergibt sich, daß nnr ca. 24,000 Unterschriften eingegangen sind.
18. August. (Anarchisten -Manifest.) In Bern wird
massenhaft ein deutsch und französisch abgefaßtes Manifest der
Schweizer Anarchisten an die Arbeiter verteilt. Das Aktenstück
wendet sich im Anfang wegen der Ausweisungen gegen den Bundes-
rat, denselben als Regierungsbande bezeichnend, und alsdann gegen
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